Totentanz
Technologieparks oberhalb der Stadt, doch bogen sie schon nach einem Kilometer wieder von der Stadtumgehung ab auf den Parkplatz, wo sich ein Grillrestaurant befand. Eine Blockhütte, die man, um keine Baugenehmigung einholen zu müssen, mittels einiger Zeltvordächer erweitert hatte. Nur wenige Autos standen hier, und fast alle mit fremden Kennzeichen. Ein Wagen gehörte zu einem der zahlreichen Konsulate in der Stadt. Tagsüber war der Platz stärker besucht, es kamen Triestiner, die sich von hier zu einem Spaziergang an der Abrißkante des Karsts aufmachten, während sich andere nach längerer Reise die Füße vertraten und eine Kleinigkeit aßen.
Ein Geländemotorrad fuhr eng an ihrem Wagen vorbei und hielt erst am äußersten Ende des Areals. Sie hörten, wie sein Motor auslief, dann wurden die Lichter ausgeschaltet. Nur noch ein schemenhafter Umriß war zu sehen, der sich vom leuchtenden Stadthimmel abhob. Damjan und Jožica gingen durch die Dunkelheit zu dem kleinen Restaurant, wo eine auffällig elegant gekleidete Enddreißigerin auf sie wartete, deren pechschwarz gefärbtes, schulterlanges Haar in krassem Widerspruch zum fahlen Teint ihrer Haut und den kirschrot geschminkten Lippen stand. Die Frau begrüßte sie sogleich in ihrer Muttersprache und wies das Ehepaar an einen der Tische vor dem Lokal.
»Warum wolltet ihr mich sehen?« fragte sie und stellte ihre Krokotasche auf die Bank. »Habt ihr darauf geachtet, daß euch niemand gefolgt ist?« Sie machte eine Kopfbewegung zu der Stelle, an der das Motorrad stehen mußte, von seinem Fahrer war nichts zu sehen.
»Keine Sorge, wir sind allein«, brummte Damjan.
Die Schwarzhaarige wimmelte auf italienisch die Kellnerin ab, die ihre Bestellung aufnehmen wollte. »Wir gehen gleich wieder, danke.« Dann wandte sie sich dem Ehepaar zu. »Also, was gibt’s? Probleme?«
Damjan Babič überließ seiner Frau das Wort, wie sie es zuvor verabredet hatten. Er schaute in die Ferne und atmete schwer. Lange hatten sie beraten, wie sie aus ihrer Tätigkeit für Petra Piskera mehr für sich herausholen könnten.
Der »AREA SciencePark« bei Padriciano, auf dem Hochplateau über der Stadt, war das größte Forschungszentrum des Landes, eines der Aushängeschilder Triests, Hoffnungsträger für eine Zukunft als Stadt der Wissenschaft, aber auch Spielball parteipolitischer Interessen. Mehrfach hatte man in den vergangenen Jahren um die Finanzierung der Einrichtung von internationalem Ansehen gezittert, je nachdem, ob die jeweilige Regierung in Rom für oder gegen diejenige in der Stadt war. Ein Wissenschaftspark, der Synergien schaffen sollte zwischen staatlichen Institutionen, Universität und Privatunternehmern, die sich hier privilegiert ansiedeln konnten, sofern sie entsprechende Forschungsprojekte und die dazugehörigen Busineß-Pläne vorweisen konnten. Über achtzehnhundert Menschen arbeiteten in dem ausgedehnten Areal. Damjan und Jožica gehörten schon lange dazu. Sie hatten seit zehn Jahren eine reguläre Arbeitsgenehmigung, galten als unscheinbar, aber zuverlässig und kamen mit den beiden Gehältern bestens zurecht, denn der Tariflohn hier lag deutlich über dem für sie erreichbaren Monatsgehalt in Slowenien. Jožica arbeitete je nach Bedarf in der Foresteria, dem Gästehaus der Anlage, in der Mensa oder im Kindergarten, der für den Forschernachwuchs vorgesehen war und sich »Cuccioli della Scienza« nannte, Welpen der Wissenschaft, als stammte der Nachwuchs aus der Retorte. Jožica machte ihre Arbeit Spaß, ihre eigenen Kinder waren längst erwachsen und arbeiteten in Österreich als Saisonniers in der Gastronomie. Damjan, gelernter Elektriker, war einer der Hausmeister und eigentlich Mädchen für alles, der sich bisher noch vor keiner Arbeit gescheut hatte. Oft half auch er, ohne danach gefragt zu werden, in der Mensa aus, von wo er täglich die Säcke voller Lebensmittelsreste mitnahm und zu Hause an die Schweine verfütterte, die er in dem kleinen Stall hinterm Haus hielt. Dank ihrer beider Einkommen hatten sie in den letzten Jahren auf dem Land, das zu ihrem alten Haus aus Familienbesitz gehörte, ein neues hochgezogen. Die Fassaden waren noch nicht verputzt, das konnte warten. Damjan und Jožica machten längst Pläne für später. Irgendwann wollten sie die Arbeit in Padriciano aufgeben und damit die tägliche Autofahrt von und nach Komen auf dem slowenischen Karst, um sich ausschließlich ihrer Landwirtschaft zu widmen. Bisher blieb dafür nur
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