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Totes Meer

Titel: Totes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Keene
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passierte, wenn sie gefressen hatte. Wie konnte sie irgendetwas verdauen, wenn sie keinen verdammten Magen mehr hatte? Wie konnten sie Nahrung verarbeiten, wenn sie tot waren? Und warum fraßen sie sich nicht gegenseitig, statt an den Lebenden herumzukauen?
    Ein nackter toter Mann trat aus einer Gasse und ging durch meinen Garten. Er war mit Dreck und Blut bedeckt, und seine Haut war bläulich, wie ein Bluterguss. Irgendwas anderes an ihm war ebenfalls seltsam, aber ich konnte nicht sagen, was, bis er sich zum Haus umdrehte. Dann sah ich, was nicht stimmte. Seine Genitalien fehlten – da war nur ein großes, blutiges Loch. Ich erkannte in dem Mann einen meiner früheren Nachbarn. Ich hatte seinen Namen nicht
gewusst und nie mit ihm gesprochen, als er noch gelebt hatte. Nur ab und zu mal ein Nicken über den Zaun. Und da war er nun, schwanzlos und tot.
    Einige der Kreaturen stammten offenbar aus den bessergestellten Teilen der Stadt. Ich fragte mich, was sie in mein Viertel geführt hatte. Waren sie hierhergekommen, als sie noch gelebt hatten, gezwungen, ins Ghetto zu fliehen, an einen Ort, in den sie unter normalen Umständen keinen Fuß gesetzt hätten? Oder waren sie nach ihrem Tod gekommen, auf der Jagd nach Nahrung? Die Leiche eines weißen Yuppietypen wanderte die Straße entlang, die Arme ausgestreckt, der Mund offen. Sein hervorstehender Bauch war von Gasen angeschwollen. Aus seiner Stirn ragten zwei rote Glasscherben wie Hörner hervor. Trotz aller Gräuel musste ich lachen. Er sah aus wie Satan in einem Burberry-Hemd. Ein anderer toter Mann trug das zerlumpte Ornat eines katholischen Priesters. Anscheinend waren die auch nicht immun.
    Die Kreaturen schlurften hinter ihrer fliehenden Beute her und kümmerten sich nicht um die sich immer weiter ausbreitenden Flammen. Den Toten war Feuer scheißegal. Sie interessierte nur Essen – und das Essen war serviert. Bei ihren langsamen Bewegungen hätte man meinen können, die Zombies würden nie jemanden fangen. Doch das taten sie. Man musste nur einmal stolpern, ein einziges Mal aus dem Gleichgewicht geraten. Lass dich in eine Ecke drängen, warte auf einen Angehörigen, fall hin und verstauch dir den Knöchel, und das war’s. Man wurde gefressen. Ich
sah es direkt vor meiner Nase geschehen. Eine Frau schien einfach aufzugeben. Sie warf einen schnellen Blick über die Schulter, sah, wie ihr Haus in Flammen aufging, und setzte sich mitten auf die Straße. Ein Mann versuchte, sie hochzuziehen, drängte sie, weiterzulaufen, doch die Frau winkte nur ab. Als er hartnäckig blieb, verpasste sie ihm eine Ohrfeige. Er eilte weiter und überließ sie ihrem Selbstmord. Ich machte ihm keinen Vorwurf. Mir war nicht einmal der Gedanke gekommen, ihr zu Hilfe zu eilen.
    Der erste Tote stürzte sich auf sie und verbiss sich mit abgebrochenen gelben Zähnen in ihrem Kopf. Als Nächstes kam ein untoter Hund. Das Monster vergrub seine Schnauze in ihrem Bauch und zerrte etwas Nasses, Rotes heraus, das im Mondlicht glitzerte. Die Frau schrie nicht. Sie wirkte befreit.
    Ich beneidete sie.
    Nachdem alles zusammengebrochen war, hatte ich oft aufgeben wollen, einfach das Handtuch werfen und sehen, was passieren würde. Ich war nicht religiös. Glaubte nicht an Gott. Glaubte nicht an ein Leben danach. Doch alles, selbst das reine Vergessen, musste besser sein als das hier. Wie ich bereits sagte, der Überlebensinstinkt ist ein Arschloch, doch warum sollte man darum kämpfen, am Leben zu bleiben, wenn das Leben selbst sich in derartigen Horror verwandelt hatte? Alan und ich hatten darüber ausführlich diskutiert, schon vor unserem Gespräch im Supermarkt, und keinem von uns wollte ein guter Grund einfallen. Wir hatten keine Lieben, die auf uns
zählten. Glaubten nicht daran, dass die Menschheit das Ruder herumreißen und siegreich sein würde. Mit der Zivilisation war es so gut wie vorbei, zumindest soweit es uns betraf, und trotzdem kämpften wir weiter. Der Überlebenswille war stark, selbst wenn uns das nicht passte – natürlich nur, bis Alan gebissen wurde. Und da hatte er keine Wahl gehabt.
    Warum weitermachen? Ich weiß es nicht. Habe keine Antwort auf diese Frage. Aber ich machte weiter. Jedes Mal, wenn ich einem lebenden Toten gegenüberstand, kämpfte ich, um zu leben.
    Einige Blocks weiter gab es ein paar verlassene Gebäude. Vor Hamelns Rache waren sie voller Drogendealer, Hausbesetzer und Verbrecher gewesen. Die alten Leute im Viertel sagten oft, dass das gesamte Areal am

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