Totsein ist Talentsache (German Edition)
wieder in einen der zahllosen Ratgeber
für Großmütter vertieft ist.
Sein Blick
wandert hinauf zu dem weiß getünchten Haus, das sich zwischen Pinien und
Olivenbäumen erhebt. Es bringt durchaus Vorteile, wenn man Freunde in den
höchsten Positionen hat. Einen Posten als Integrationsstadtrat und
Zombie-Beauftragter zum Beispiel. Oder uneingeschränkten Zugriff auf die
internationalen Filmdatenbanken. Und ein riesiges Anwesen auf einer
griechischen Insel, das neben einem Privatstrand auch über einen eigenen
Flugplatz verfügt. Natürlich ist das System verbesserungswürdig. Das mit dem
Menschen fressen ist vielleicht nicht ganz so human. Und das mit der Zensur
auch ein bisschen gemein. Dafür ist das mit der Macht wiederum ziemlich cool.
„Scheiß auf die Moral. Anna, wie heißt dieser kluge Satz, den du letztens in Das
verlorene Paradies gelesen hast?“ - „ Lieber in der Hölle regieren, als
im Himmel dienen. Wieso?“
Bernds Antwort wird vom Flattern der Rotorblätter
eines Hubschraubers übertönt. Anna rappelt sich hoch und sieht dem Helikopter
nach, der in einem großen Bogen über dem Haus kreist und schließlich zu Landung
ansetzt. Auf der rechten Seite der strahlend weiß lackierten Maschine prangt
das österreichische Staatswappen. Dass der Adler statt Hammer und Sichel
Reagenzglas und Brecheisen in seinen Krallen hält, fällt nur jenen auf, die
genauer hinsehen. Und wer tut das heutzutage schon?
„Das ist die Felix Eins . Kommen Jo und Katja
auf Besuch? Wie nett! Ich hab die beiden sicher seit Pfingsten nicht mehr
gesehen. Und bei euch haben sie sich ja auch schon seit mehr als einer Woche
nicht mehr gemeldet, oder?“ brüllt Sophie, während sie auf und ab hüpft und
Richtung Landebahn winkt. „Mama, du kannst wieder normal reden, die Rotoren
sind aus“, beruhigt Anna ihre Mutter. Zu Bernd gewandt meint sie: „Das wäre ja
mal ganz was Neues, dass die beiden freiwillig ihr kleines Reich verlassen. Vor
allem Katja ist ja voll die Glucke, wenn es ums Imperium geht. Aber so wie´s
aussieht, sind sie das eh nicht. Das sieht eher nach … das ist Johann!“
Lächelnd läuft Anna auf den Mann zu, der eben den Hubschrauber verlassen hat.
Trotz der sommerlichen Hitze trägt er einen dunkeln Anzug und eilt mit großen
Schritten über die Wiese.
„Johann, wie schön, dich zu sehen! Wie geht es
Siegfried? Und Papa und Opa? Und was machen … Johann? Stimmt etwas nicht? Warum
schaust du so …?“
Johann Schmid sieht Anna lange an. Dann nimmt er die
dunkle Sonnenbrille ab und blinzelt in die Sonne. Äußerlich tadellos wie immer,
wirkt er dennoch zerstört. Seine Augen liegen tief in den Höhlen und auf der
Stirn zeichnen sich Sorgenfalten ab.
Irgendetwas
stimmt hier ganz und gar nicht. Johanns Kopf zuckt nervös hin und her. Doch
diesmal versucht er nicht, mit einem Tänzchen davon abzulenken: „Ihr müsst
sofort mit mir kommen. Wir haben ein gewaltiges Problem.“
ENDE
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