Touchdown
also machte Arnie die Jalousie wieder ganz runter und ging zu seinem Sessel und seiner Zeitung zurück. Sein Schützling war allem Anschein nach tot.
Die Ärzte wollten ihn entlassen, doch Arnie hatte mit Entschiedenheit dargelegt, dass der Patient noch ein paar weitere Tage der Ruhe und des Schutzes benötige. Die Browns zahlten die Wachleute, und offenbar waren sie darüber nicht sehr glücklich. Das Team übernahm auch die ärztlichen Kosten, und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie sich deswegen beschwerten.
Auch Arnie hatte langsam genug. Ricks Karriere, wenn man sie denn so nennen konnte, war vorbei. Arnie bekam fünf Prozent, und fünf Prozent von Ricks Gehalt reichten nicht mal, um die Kosten zu decken. »Bist du wach, Rick?«
»Ja«, sagte der mit geschlossenen Augen.
»Hör mir mal zu, okay?«
»Ich hör zu.«
»Das Schwerste in meinem Job ist, einem Spieler zu sagen, dass es Zeit ist, aufzuhören. Du hast dein ganzes Leben Football gespielt, es ist alles, was du kennst, alles, wovon du träumst. Niemand hört gern auf. Aber Rick, alter Freund, es ist wirklich Zeit, Schluss zu machen. Es gibt keine Alternative.«
»Ich bin achtundzwanzig, Arnie«, sagte Rick mit geöffneten Augen. Sehr traurigen Augen. »Was soll ich deiner Meinung nach machen?«
»Viele von den Jungs werden Trainer. Oder Makler. Du warst ein helles Köpfchen - hast deinen Abschluss gemacht.«
»Meinen Abschluss hab ich in Sport, Arnie. Das heißt, ich könnte einen Job kriegen, wo ich Sechstklässlern für Vierzigtausend im Jahr Volleyballspielen beibringe. Da hab ich keinen Bock drauf.«
Arnie erhob sich und ging, wie tief in Gedanken versunken, um das Ende des Betts. »Fahr doch erst mal nach Hause, ruh dich ein bisschen aus und denk drüber nach.«
»Nach Hause? Wo soll das sein? Ich hab an so vielen verschiedenen Orten gewohnt.«
»Zu Hause ist Iowa, Rick. Dort lieben sie dich noch immer.« Und wirklich lieben tun sie dich in Denver, überlegte Arnie, behielt den Gedanken aber klugerweise für sich. Die Vorstellung, auf den Straßen von Davenport in Iowa gesehen zu werden, jagte Rick einen Schrecken ein, er gab ein leises Stöhnen von sich. Die Stadt war vermutlich tief gedemütigt ob der Leistung ihres Sohnes. Aua. Er dachte an seine armen Eltern und schloss die Augen wieder.
Arnie sah auf seine Uhr, dann bemerkte er - warum auch immer erst jetzt -, dass sich keine Karten mit Genesungswünschen und keine Blumen im Zimmer befanden. Die Schwestern hatten ihm erzählt, dass keine Freunde zu Besuch gekommen seien, niemand aus der Familie, keine Mannschaftskameraden, niemand, der auch nur entfernt etwas mit den Cleveland Browns zu tun hatte. »Ich muss mich beeilen, mein Junge. Ich schau morgen noch mal vorbei.«
Im Hinausgehen warf er beiläufig die Zeitung auf Ricks Bett. Sobald die Tür hinter ihm zuging, schnappte sich Rick das Blatt und wünschte sich bald, er hätte es nicht getan. Nach Polizeischätzung hatte eine Menge von fünfzig Personen vor dem Krankenhaus eine wüste Demonstration veranstaltet. Richtig unerfreulich wurde die Angelegenheit, als ein Fernsehteam aufkreuzte und zu filmen begann. Ein Fenster wurde eingeworfen, und einige der stärker betrunkenen Fans stürmten den Empfang der Notaufnahme, vermutlich auf der Suche nach Rick Dockery. Acht Verhaftungen gab es. Ein großes Foto - Titelseite unterhalb der Falte - zeigte die Menge unmittelbar vor den Festnahmen. Zwei derb gemalte Plakate waren deutlich zu lesen: »Zieht jetzt die Konsequenzen!« und »Legalisiert Euthanasie«.
Es wurde noch schlimmer. Die Post beschäftigte einen berüchtigten Sportjournalisten namens Charles Cray, einen fiesen Schreiberling, dessen Spezialität im Frontalangriff lag. Da er immerhin raffiniert genug vorging, um glaubhaft zu wirken, wurde Cray von vielen gelesen, denn er widmete sich den Fehltritten und Schwächen von Profi-Sportlern, die Millionen verdienten, aber durchaus nicht perfekt waren, mit Wonne. Er war Experte für alles und ließ sich keine Gelegenheit entgehen, eine Attacke zu reiten, und sei sie noch so billig. Seine Dienstagskolummne - auf der ersten Seite des Sportteils - begann mit der Schlagzeile »Kann Dockery die Rangliste der größten Esel aller Zeiten toppen?«.
Wer Cray kannte, hatte keine Zweifel, dass Rick Dockery diese Rangliste toppen würde. Die Kolumne, wie immer gut recherchiert und in beißendem Stil geschrieben, rekapitulierte die nach Crays Meinung größten individuellen Schnitzer,
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