Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
anderen Frauen hinterher, spielte nie verrückt und überließ es Fay, die Grenzen ihrer Beziehung zu bestimmen. Das ist wahrscheinlich sein größtes Plus, dachte ich und wandte mich wieder dem Spiel zu.
Jimmy war als Nächster am Schlag. Da meldete sich der Piepser an meinem Gürtel.
»Mist«, sagte ich, als ich die Nummer sah. Ich zog mein Handy heraus und ging hinter die Trainerbank. »Das ist hoffentlich nichts Unangenehmes. Mein Kleiner ist gleich dran.«
»Tut mir Leid, Sergeant«, meldete sich die glockenhelle Stimme von Lieutenant Anna Cleary, der Diensthabenden. »Wir haben eine Leiche. Der Sheriff hat Mondanzüge für die Besichtigung geordert.«
»Mondanzüge?«
»Die Streife sagt, es könnte eine bakteriologische Verseuchung vorliegen. Rogers will nichts riskieren. Der Arzt auch nicht.«
»Klingt prickelnd.«
»Hab ich mir gedacht, dass es was für Sie ist.«
»Sie sind immer so nett zu den Mühseligen und Beladenen, Anna«, sagte ich.
»Nur zu Ihnen, Shay«, erwiderte sie.
»Wo?«
»Sea View Villas, La Jolla.«
»Tod unter den Schönen, Superreichen und Dompteuren der DNA«, meinte ich, schaltete das Handy aus und kam wieder hinter der Trainerbank hervor, um Jimmy an der Homeplate zu sehen. Als er sich fertig machte, sah er mich mit diesem »Bitte geh nicht weg«-Blick an, mit dem ich in den letzten vier Jahren zu leben gelernt hatte. Ich fummelte meine Dienstmarke heraus. Bei ihrem Anblick stieg wieder die Wut in ihm hoch, und er wandte sich ab. Das Gewicht der ganzen Welt lag in seinem Schlag, und in meinem Bauch breitete sich das bekannte hohle Gefühl aus, das mich immer packt, wenn ich ihn allein lassen muss.
3
Zwanzig Minuten später war ich bei den Sea View Villas und parkte meine metallic-grüne Corvette. Dieses Auto in einem tadellosem Zustand zu erhalten, war mehr oder weniger das Einzige in meinem Leben, was ich mühelos schaffte. Im Dienst fahre ich den guten alten Sportwagen aber so gut wie nie. Für meine Ausflüge auf die dunkle Seite von San Diego stellt mir die Polizei einen zivilen Plymouth zur Verfügung. Aber Jimmy liebt das Gefährt, und an diesem Morgen war ich an der Reihe, ihn zum Spiel zu bringen. Und eine Fahrt in einer alten Corvette ist nun wirklich das Mindeste, was ich für ihn tun kann.
Diesiger Nebel hing über dem Parkplatz, als ich ausstieg, und man roch das Meer. Ich ging zu dem uniformierten Polizisten, der an der Hecktür eines weißen Vans vom Sondereinsatzkommando für Gefahrstoffe stand. Das Blaulicht verfing sich mit einem merkwürdigen Stroboskopeffekt im Nebel, und ich stutzte, weil vor mir plötzlich das Bild eines viel jüngeren, einundzwanzigjährigen Seamus Michael Moynihan auftauchte, der auf klickenden Stollen durch einen dunklen Tunnel lief, in dem der Geruch von Schweiß, Ruhm und rasch verflogenen Träumen hing.
Solche Flashbacks aus meinem früheren Leben hatte ich schon seit Monaten mit wachsender und frustrierender Regelmäßigkeit: Kaum erblickte ich die Maschinerie der Mordkommission in Aktion, da sah ich mich selbst, wie ich vor vielen Jahren durch diesen Tunnel dem strahlenden Sonnenlicht und einer jubelnden Menge entgegenlief.
Ich bleibe geblendet stehen und schaue auf meinen Handschuh. Mir ist zumute, als ob ich gleich kotzen müsste. Die Rufe im Stadion schwellen ohrenbetäubend an, wie Sirenen, die mich ins Licht und in die sagenumwobenen Gefilde von Fenway Park locken.
Beim Warm-up schaue ich bewusst nie in die Zuschauerränge. Ich konzentriere mich auf meinen Catcher, auf seinen Handschuh, auf das schimmernde Gras und den feuchten roten Sand zwischen uns. Nur ab und zu erlaube ich mir zwischen zwei Würfen einen kurzen Blick auf die Wand, die links von mir in schwindelerregende Höhe wächst. Dann endet die Nationalhymne, und ich nehme meine Position ein, ohne zu ahnen, dass es mein letztes Spiel in der Major League sein wird.
Nach dem Warm-up erlaube ich mir schließlich einen Blick zur Tribüne. Zuerst erscheint mir die Menge nur als ein Gewimmel tausender lärmender Farbflecke, ein lebendig gewordenes impressionistisches Gemälde.
Dann treten einzelne Gesichter hervor, allesamt weiblich. Die Rothaarige an der Ecke vom Schutzzaun winkt mir zu. Ich könnte schwören, dass ich sie kenne. Die Brünette drei Reihen hinter der Trainerbank der Yankees hebt ihr Bier, bei ihr bin ich mir nicht sicher. Die Blonde hinter der Third Base klimpert mit ihrem Hotelzimmerschlüssel, und ich wende mich erschrocken ab: Die kenne ich
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