Tradingpsychologie
Aufgabe, immerzu die Charts auf mögliche Einstiege abzuscannen, um dann auch zu handeln. Vor seiner Trading-Station sitzend, erinnerte er mich an den Komiker Charly Chaplin in seinem Film »Moderne Zeiten«. Da steht ein Arbeiter am Fließband und ist ohne Unterbrechung damit beschäftigt mit beiden Händen Schrauben anzuziehen. Irgendwann läuft das Band so schnell, dass der Arbeiter dem Tempo nicht mehr folgen kann und sich deshalb auf das Fließband legen muss. Kurze Zeit später wird er vom Fließband verschluckt.
Mein Klient befand sich, wie unschwer zu erkennen war, beim Traden immerzu im Trancezustand – er war vom Virus Übertrading befallen. Dieses entsteht vor allem beim schnellen Handel auf kleinen Zeiteinheiten. Die Magie der Märkte trennen einen dann von der bewussten Aufmerksamkeit. Und ehe einem das klar wird, versinkt man im Rausch des Börsenhandels. Um sich vor solchen Zuständen zu schützen, können Sie sich das Ritual angewöhnen, immer wieder kleine Pausen einzulegen. Verlassen Sie einfach für einen kurzen Moment den Arbeitsplatz – holen Sie sich etwas zu trinken oder recken und strecken Sie sich für einen Moment.
Nichts zu tun ist für uns Menschen außerordentlich schwer. Aktivität ist eine uralte menschliche Prägung. In einer Jäger-und-Sammler-Umgebung hatte das einen viel wichtigeren Stellenwert als das Nachdenken. Außerdem ist unser Gehirn selbstaktiv. Nicht zu denken funktioniert nicht. Und weil Trading so viele Reize verursacht, kann ein automatischer Aktionismus in Gang kommen, der einem ständig zum ungewollten Trading verleitet.
Jede Bewegung des Marktes wird dann blitzschnell analysiert und unbewusst mit Erfahrungen abgeglichen. Ständig kreist im Kopf eines Traders die Frage: »Was könnte ich jetzt aus diesem Signal machen?« Am besten nichts, wenn es nicht zum persönlichen Handelssystem gehört! Doch genau das ist für Neulinge außerordentlich schwer. Ständig lockt der Impuls – jetzt und sofort agieren zu wollen. Anstatt perfekte Einstiegssignale zu finden, werden daraufhin welche erfunden. Kann sein, dass daraus ein Gewinn-Trade entsteht. Mit professionellem Trading hat das aber nichts zu tun und. Sie trainieren sich Trading-Fehler an, die Sie nur mit viel Aufwand wieder loslassen können!
Häufig liegt das Problem auch an einer übergroßen Wissensflut. Durch die zahlreichen Bücher, Seminare, Workshops, Webinare und Internetrecherchen eignen wir uns mit der Zeit unfassbar viel Fachwissen an. Das führt dazu, dass wir irgendwann das Gefühl bekommen, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Hier ein Flaggenmuster, da ein gleitender Durchschnitt, der geschnitten wird, ein 1-2-3-Ausbruch, ein Tageshoch, das gerissen wird, der RSI, der anzeigt , dass der Markt völlig überkauft ist, der Börsenbriefautor empfiehlt, den Markt jetzt sofort massiv zu shorten, die Umkehrmuster an Retracementmarken und die Candlesticks, die ein Einstiegssignal nach dem Nächsten geben. Hinzu kommt eine Vielzahl an Handelsansätzen anderer Trader, die einem ständig im Kopf herumschwirren wie ein wild gewordener Bienenschwarm. Wissen kann hier schnell zu Verwirrung führen.
Ich selbst habe Übertrading mit Meditation in den Griff bekommen. Hierfür beobachtete ich jeden Tag 20 Minuten meinen Geist und konzentrierte mich auf meinen Atem. Mit der Zeit machte ich die Entdeckung, dass nicht ich meinen Geist beschäftige, sondern mein Geist mich. Ich kam mir vor wie eine Marionette. Indem es mir gelang, diesen dahergewehten unnützen Gedanken keine Beachtung mehr zu schenken, schaffte ich es, Einstiegschancen zu ignorieren, die nicht zu meinem Regelwerk gehörten.
Um meinem Gehirn noch deutlicher zu signalisieren, dass ich selbst die Führung bei meinen Entscheidungen übernehmen möchte, entwickelte ich die »Als-ob-Methode«. Dazu bereitete ich mich perfekt auf mein Trading vor, öffnete meine Minuten-Charts und ließ dann das Börsengeschehen tatenlos an mir vorüberziehen. So schaute ich einige Woche lang Stunde für Stunde nur den Kursverläufen zu, ohne einen einzigen Trade zu tätigen. Wer jetzt allein bei diesem Gedanken ganz unruhig wird, sollte diese Übung auf jeden Fall ausprobieren! Sie trainieren sich so mit der Zeit die nötige Gleichgültigkeit an, die Sie beim Trading unbedingt brauchen. Freiwilliger Verzicht ist eine Meisterleistung und auf dem Weg zur professionellen Trading-Meisterschaft unverzichtbar. Dem Gehirn wird dadurch nebenbei signalisiert, dass immer
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