Tränen aus Gold
nun bemüht, sie zu beruhigen, und entschuldigte sich mit gekränkter Miene: »Ich sorge mich ja nur um deinen guten Ruf. Quentin ist keiner, der dir zur Ehre gereicht. Ich kann dir nur raten, ihm nur ja keine Zugeständnisse zu machen.«
»Keine Angst, Onkel«, beruhigte Elise ihn. »Ich habe nicht die Absicht, mich von einem Mann auf Abwege führen zu lassen.« Diese gezielte, spitze Bemerkung machte sie im Hinblick darauf, was der Alte wirklich wollte und was er an Quentin zu verlieren befürchtete. Seine Habgier verstand er längst nicht so geschickt zu tarnen, wie er glaubte.
Edward entging die Pointe ihrer ironischen Bemerkung völlig, da er sich nicht enthalten konnte, sie weiterhin zu schelten. Schließlich hatte sie in Todesangst unter seinem Dach Zuflucht gesucht. »Alle Welt weiß, daß dein Vater alles verkauft und das Gold für dich versteckt hat, damit Cassandra und die Ihren es nicht in ihre gierigen Fänge bekommen, wenn er nicht mehr sein sollte. Und ich sag' dir eines, Mädchen, solange der Schatz verborgen bleibt, mußt du eine große Bürde tragen, denn jeder Wüstling und Schürzenjäger wird sich an dich heranmachen. Darf ich dich daran erinnern, daß du zu mir kamst, damit ich dir vor der Familie deines Vaters Schutz biete? Und dort steht einer dieser Radborne-Teufel und kann es kaum erwarten, dein Eigentum zu ergattern.«
»Quentin hat selbst Vermögen«, erinnerte sie ihren Onkel. »Er braucht mein Geld nicht.«
»Ach was, zeig mir den, der nicht noch mehr Gold in seinen Truhen verträgt. Ich sage dir eines, Quentin würde dich zu der Seinen machen und dir gleichzeitig die Börse abknöpfen. Denk an meine Worte. Halte dich fern von Taugenichtsen wie Quentin, dann wirst du vielleicht eines schönen Tages einen Mann wie Reland oder seinen Vetter Devlin bekommen.«
Der Himmel erbarme sich meiner! dachte Elise angewidert, während sie laut und mit viel Sinn für Humor zurückgab: »Ach, soll Zügellosigkeit auch noch belohnt werden?«
»Was sagst du da?« wetterte Edward erneut, von ihrer schlagfertigen Antwort getroffen. Mit geballten Fäusten versuchte er sich zu beherrschen. »Du hast den Verstand verloren, wenn du glaubst, dein Vetter sei besser als Reland!«
»Ja, mag sein«, gab Elise mit gleichmütigem Achselzucken zurück und entfernte sich, ohne ihm zu versichern, daß seine Verurteilung Quentins ihrem eigenen Entschluß, jeder ernsteren Beziehung zu ihrem Vetter auszuweichen, entsprach. Ihre Sorge um den Vater nahm sie zu sehr in Anspruch, als daß sie an der Werbung eines Mannes, am allerwenigsten eines Mannes aus der Huxford-Sippe, Gefallen gefunden hätte.
2
Habgier erweist sich für viele als wahrer Fluch, da sie den Genuss der meisten Freuden vergällt. Auch nicht die kleinste Münze wird ausgegeben ohne Bedauern über ihren Verlust und ohne, zaghafte Hoffnung, ihr Entschwinden würde sich doppelt lohnen. So war es auch im Fall von Edward Stamford, dessen Befriedigung über die Vermählung seiner Tochter geschmälert wurde, da er mit ansehen mußte, wie hemmungslos die Festgäste von seiner Großzügigkeit Gebrauch machten. Seine nur widerwillig gewährte Gastfreundschaft hatte die Gäste, die gekommen waren, um ihrer Gefräßigkeit zu frönen, aller Hemmungen beraubt. Auch die festlichen Klänge der Musik vermochten seine sinkende Stimmung nicht zu heben. Die lachenden und scherzenden Gäste verstärkten sein Bedauern noch, so daß auch diejenigen, die in ihrer Sattheit eingenickt waren, kein Trost für ihn waren.
»Sieh an!« machte er leise seinem Missmut Luft. »Sie sind so voll mit Speis und Trank, daß sie vor ihren Schüsseln dösen. Hätte ich das geahnt, hätte ich mir manches Goldstück sparen können.«
Edwards finsterer Blick wanderte durch den Saal und blieb an Taylor, dem Diener, hängen, als dieser an einem der nahen Tische innehielt. »Du da drüben! Hör auf, den Krug vor den anderen zu schwenken, und gieß lieber mir nach!«
Der Kerl machte verwundert eine halbe Drehung und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, doch als Edward ihn zu sich winkte, wich er zurück und murmelte: »Herr, ich laufe lieber und hole Euch frisches Bier.«
»Nichts da! Lass das Bier!« Wütend über die Weigerung, winkte ihn Edward heran. »Ich nehme, was du hast.«
»Herr, das wäre nicht richtig.« Taylors Stimme drang gedämpft aus seiner Kapuze, die er sich enger ums Gesicht zog. »Im Krug ist nur noch ein abgestandener Rest. Ich hole Euch gutes, frisches Bier,
Weitere Kostenlose Bücher