Tränen aus Gold
Man möchte meinen, die einzige Sorge dieses Burschen ist es, bei den Damen die Runde zu machen.«
»Hat denn die Königin Staatstrauer angeordnet, so daß wir Frohsinn und Humor zügeln müssen?« heuchelte Elise besorgt.
Verdutzt starrte Edward sie an, bis ihm dämmerte, daß seine Nichte sich über seine Worte lustig machte. Ruckartig zog er die buschigen Brauen zusammen. »Du dummes Ding, ich wäre dir dankbar, wenn du deine Zunge im Zaum halten könntest und keine Torheiten mehr von dir gibst. Du tätest überdies gut daran, dich mehr deinen Pflichten zu widmen, damit ich dir nicht ins Gedächtnis rufen muß, worin sie bestehen.«
Seine Überheblichkeit stachelte Elises Stolz an, so daß sie, obschon um ein gutes Benehmen bemüht, ihm ihrerseits in Erinnerung rief: »Onkel, ich bezahle für den Osttrakt Miete, und zwar mehr als ausreichend. Darüber hinaus gehe ich dir an die Hand, wo immer ich kann. Sosehr es mich freut, daß ich dir eine Hilfe sein kann, möchte ich dich doch daran erinnern, daß ich es nicht nötig habe zu arbeiten, da mein Vater mir genügend Geld hinterlassen hat. Ob ich bleibe, hängt allein von mir ab. Falls dir die gegenwärtige Regelung nicht paßt, dann gehe ich und suche mir anderswo eine Bleibe.«
Edward hatte sofort eine hitzige Antwort parat, war aber klug genug, sich zu zügeln und seine Wut nicht an dem Mädchen auszulassen. Es stand nämlich mehr auf dem Spiel als ihre Miete, wenngleich diese so hoch war, daß sie von ihm auch anständiges Verhalten verlangte. Doch hatte er wenig Geduld mit Menschen, die sich seinem Willen widersetzten, zumal wenn es sich um ein Mitglied seines Hausstandes oder um eine Vertreterin des schönen Geschlechts handelte. Seine Frau, die sich während ihrer gesamten Ehe geduldig fügte, pflegte, wenn er tobte, in ihr Schlafgemach zu flüchten, um dort ihre verletzten Gefühle mit Portwein zu lindern, eine Gewohnheit, die sie bis zu ihrem Tod beibehielt. Auch Arabella hatte nie Widerspruch gewagt und sich seiner Autorität stets unterworfen, als hätte sie keine eigenen Wünsche. Elise aber hatte von Anfang an bewiesen, daß sie aus ganz anderem Holz geschnitzt war.
Seit ihrer Ankunft auf Bradbury Hall hatte Edward sich damit abfinden müssen, daß sie über Verstand und Willenskraft verfügte. Elises fester Entschluß, ihren Vater zu finden, hatte sie in Gefahrensituationen gebracht, denen er sie selbst gern ausgeliefert hätte, wäre da nicht seine Habgier gewesen, mit der er nach ihrem Vermögen gierte. Ihre Entschlossenheit hatte sie bewiesen, als sie sich, als zerlumpter Straßenjunge verkleidet, von einem Karren nach London mitnehmen ließ und in dem Labyrinth hinter der anrüchigen Fleet Street untertauchte, die als Freistatt für Verbrecher galt. Von der Gier nach dem verborgenen Schatz angestachelt, entschloß Edward sich zum Eingreifen und schickte einen seiner Dienstleute aus, der Elise finden und nach Hause bringen sollte. Kurz nach ihrer Rückkehr war es zu weiteren schrecklichen Ereignissen gekommen, unter anderem zu einer höchst unangenehmen Konfrontation mit Reland. Dieses Vorkommnis hatte ihn endgültig davon überzeugt, daß Elise Radborne ein unglaubliches Talent besaß, zum Ärgernis zu werden.
Kaum war wieder Ruhe und Ordnung in seinem Haushalt eingekehrt, als sie abermals davonlief, diesmal in die Stilliards, einen Ort, den ihr Vater aufgesucht hatte, um einen Teil seines Vermögens in Gold umzutauschen. Hatte er schon geglaubt, das Gesindel der Freistätte in der Fleet Street fürchten zu müssen, so versetzten die fremdländischen Hansemitglieder Edward vollends in Angst und Schrecken. Dank ihres Einflusses und Reichtums vermochten sie sich Könige und Fürsten gefügig zu machen. Obschon Königin Elizabeth längst bewiesen hatte, daß sie willensstark und unbeugsam war, waren doch schon viele ihrer Untertanen der Hanse zum Opfer gefallen. Edward hatte die Hoffnung fast aufgegeben, seine Nichte jemals wieder zu sehen, als sie, in Begleitung eines Hansejunkers und selbst wie ein solcher gekleidet, wiederkam. »Ein Mädchen in Hosen!« hatte er bei ihrem Anblick entsetzt ausgerufen. »Das spricht allem Anstand Hohn!«
Hätte er geahnt, wieviel Unruhe seine Nichte in sein Leben bringen würde – Edward hätte mit Sicherheit um eine höhere Miete gefeilscht. Aber so wie die Dinge nun lagen, war Elise bei dem Handel im Vorteil. Für jede Münze, die er von ihr bekam, mußte er doppelt soviel Unbill erleiden.
Dennoch war er
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