Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)
landete sie auf allen vier Pfoten hinter den
Angreifern. Diese drehten sich um und maßen den schneeweißen Puma mit den
eisblauen Augen, der jetzt vor ihnen stand, mit einem abwertenden Blick.
Sie verengten ihre Augen zu
schmalen Schlitzen und mit einem bösartigen Knurren verwandelten auch sie sich
in ihr Krafttier. Fieberhaft überlegte sie und dann erinnerte sie sich plötzlich
an Taylors Worte. Er hatte sie damals vor dem Kampf trainiert und ihr alles über
die Sunkmanitutanka beigebracht.
Wölfe können schnell laufen, aber
sie haben ein Manko: Sie können nicht springen. Nur der Puma ist in der Lage,
aus dem Stand über zehn Meter in die Höhe zu springen.
Kaum hatte sie die Gedanken zu
Ende gesponnen, bemerkte sie, wie auch die beiden Angreifer sich verwandelten.
Regungslos verharrte Amy in ihrer lauernden Position und wartete, bis die Wölfe
sich auf wenige Meter genähert hatten.
Dann sprang sie, für die Wölfe
völlig überraschend, mit einem gewaltigen Sprung über ihre Köpfe hinweg und
katapultierte sich in die ausladenden Äste des riesigen Pinienbaumes.
Geschmeidig lief sie den Stamm bis in die Baumkrone hoch. Die Wölfe kratzten am
Stamm und gaben ein unheilvolles Jaulen von sich.
Amy sah sich um und dann
entdeckte sie in einem Geäst schräg über sich ein Vogelnest. Der Größe nach zu
urteilen, handelte es sich um ein Nest eines Adlers und damit kam ihr
schlagartig eine Idee. Langsam kroch sie auf dem dünnen Ast vorwärts und lugte
vorsichtig in das Horst. Sehr gut, murmelte sie zufrieden.
Sie hatte sich also nicht
getäuscht. Zwischen drei bläulichweiß schimmernden Eiern mit braunen Sprenkeln,
lagen unzählige schwarzgespenkelte, fast runde Steine. Die Adlereltern
versuchten die unzähligen Eierdiebe unter den anderen Vögeln auszutricksen,
indem sie eine Vielzahl von halbwegs runden Steinen ins Nest legten, um die
eigentliche Brut zu schützen.
Jetzt musste Amy nur noch die
anderen Zutaten finden. Ihre Augen verengten sich zu gelben Schlitzen und sie
sah sich aufmerksam um. Dann hatte sie das Richtige gefunden. Sie durchsprang
erneut die Dimension und nahm ihre menschliche Gestalt wieder an. Das, was sie
jetzt vorhatte, erforderte ihre beiden Hände.
Sie brach eine kleine Astgabel ab
und bearbeitete das Holz, bis sie damit zufrieden war. Danach löste sie ihr
Haargummi aus ihrem langen Pferdeschwanz und begann es um das Holz zu
schlingen.
Das würde ihr als Steinschleuder
genügen. Vorsichtig balancierte sie zum Nest zurück und fischte eine Handvoll
Steine heraus, die sie sich anschließend in ihre Hosentaschen stopfte. Vom
unteren Waldboden aus erklang ein markerschütterndes lautes Bellen. Erschrocken
zuckte Amy zusammen. Dadurch verlor sie ihren sicheren Halt und fühlte, wie ihr
Fuß vom Ast wegrutschte.
»Nein …« Verzweifelt umschlang
sie mit beiden Händen den Baumstamm und konnte damit im letzten Moment ihren
Absturz auffangen. Ihr Puls raste und ihr Herzschlag begab sich in
schwindelerregende Höhen.
Vorsichtig balancierte sie ihren
Körper auf einen dickeren Ast und sah nach unten. Dann setzte sie die
Steinschleuder an und visierte ihr Ziel an. Langsam zog sie das Gummi bis zum
Anschlag durch.
Der Stein surrte geräuschlos
durch die Luft nach unten. Ein schrilles Jaulen zeigte ihr an, dass sie ihr Ziel
erfolgreich getroffen hatte. Angespannt lauschte Amy und versuchte ruhig zu
atmen.
Sie wusste, dass sie ihnen später
im Nahkampf gegenüberstehen würde. Das hier war ihre einzige Chance. Also legte
sie die Schleuder erneut an und versuchte sie gezielt in die Umgebung der Augen
zu treffen.
Das Aufheulen und Bellen unter
ihr wurde immer wilder und wütender. Schließlich hatte sie alle Steine
verschossen. Danach überlegte sie kurz.
Es war ihr durchaus bewusst, dass
sie den Kampf nicht auf dem Baum aussitzen konnte. Otancan hatte von drei Räumen
gesprochen. Wenn sie diese vor den Wölfen entdeckte, bekam sie vielleicht einen
Vorsprung.
Mit einem Salto katapultierte sie
sich auf den Waldboden. Blitzschnell lief sie über einen bewaldeten Hügel,
Richtung Norden. Kurz darauf blieb sie vor zwei verschlungenen Abzweigungen
stehen und entschied sich instinktiv für die rechte. Und dann stand sie vor
einem breiten Wasserlauf. Dahinter sah sie nur einen Höhleneingang. Sie setzte
zum Sprung an und landete in der Höhle, die von einem vollkommen schwarzen Nebel
eingehüllt war.
Verdammt, murmelte sie
verdrossen.
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