Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)
Gedanken lesen und sehr gut nachvollziehen, was gerade in ihrem Kopf
vor sich ging. Er rief etwas, was Amy nicht mehr verstand.
Wenige Minuten später kamen die
Wächter herein und stützen ihren vollkommen übermüdeten Körper.
»Du kannst dich jetzt ausruhen,
mein Kind. Eine Seelentrance ist die schlimmste Tortur, die man einem Körper
antun kann. Aber jetzt hast du es überstanden. Du wirst nun vier Stunden
schlafen. So lange benötigen deine Seele und dein Körper, um sich auf den neuen
Blutkreislauf deines Krafttieres umzustellen. In dieser Zeit wird sich auch das
Blut von Michael vollständig mit dem deinen verbinden. Und es wird sich auf
deinem Rücken das Tapuat bilden. Unser heiliges Symbol der Geisterkrieger.
****
Sébastien lehnte übermüdet am
Ende des Tempelzimmers an der Mauer und verschränkte die Arme über seiner Brust.
Mit angespanntem Blick betrachtete er seinen Freund. Michael beugte sich gerade
über Amys zitternden Körper und kontrollierte ihren Puls.
Er ging extrem unregelmäßig und
ihr ganzer Körper wurde von Krämpfen geschüttelt. Besorgt blickte er in ihr
blasses Gesicht und fuhr sich erschöpft durch sein schwarzes Haar, das ihm in
die Stirn fiel. Verzweiflung spiegelte sich auf seinem angespannten Gesicht.
Müde und ausgelaugt setzte er
sich auf einen Stuhl neben ihrem Bett und bettete seinen Kopf an Amys Gesicht.
Die Sorge hatten tiefe Furchen in sein Gesicht gegraben und der Schlafmangel der
vergangenen Tage machte sich jetzt in einem leichten Zittern seiner Hände
bemerkbar.
Michael hatte sich in keiner
Sekunde der vergangenen 32 Stunden von ihr wegbewegt und jede ihrer Bewegungen
mit Argusaugen beobachtet. Wie es schien, hatten ihr Körper und ihre Seele einen
entsetzlichen Kampf mit einer übermächtigen Macht in der Gezeitentrance
ausstehen müssen.
Bruchstückhaft konnte Michael
einen Teil ihrer Visionen empfangen. Auch Sébastien fühlte ihre körperlichen
Schmerzen.
Ihren verzweifelten Kampf gegen
das illusionäre Böse, ihre Angst und ihren Abscheu, als sie töten musste. All
das nahm auch er körperlich wahr. Und er hasste sich dafür, dass er zur
Untätigkeit verdammt war und ihr und Michael in ihren schwersten Stunden nicht
helfen konnte. Mit unendlicher Zärtlichkeit strich Michael ihr eine verschwitze
Haarsträhne aus ihrem blassen Gesicht.
Sanft berührte er ihre
geschlossenen und zuckenden Augen und seine Lippen bewegten sich lautlos.
Sébastien konnte seine inneren Qualen und Wünsche, seine aufgestaute Liebe in
seinen Gedanken mitlesen.
Halte durch, mein
Schmetterling. Bald hast du es geschafft und dann werde ich dich keine einzige
Minute unseres gemeinsamen Lebens mehr alleine lassen.
Er fühlte, wie Michael sich
verzweifelt wünschte, dass er sie von den schlimmen Qualen befreien könnte, aber
das stand nicht in seiner Macht. Tief beunruhigt presste er seinen Kopf an ihren
immer stärker bebenden Oberkörper und umarmte sie stumm. In diesem Moment
öffnete sich die Tür und Milton betrat den Raum. Bewegt sah er zu seinem Sohn,
der über Amys Körper gebeugt lag.
Langsam kam er näher. »Wie geht
es ihr?«, fragte er leise.
Michael blickte auf und seufzte
frustriert. »Ich weiß es ehrlich gesagt nicht«, erwiderte er. »Ihr Körper
zittert konstant und ihr Herzschlag ist unregelmäßig. Sie scheint gegen
irgendetwas ganz stark anzukämpfen.«
Milton trat an das Bett und maß
ihren Puls. »Ich denke, sie ist jetzt im Endstadium. Bald wird sie es
überstanden haben. Die 36 Stunden sind fast um. Wir müssen zuversichtlich sein«,
erwiderte er aufmunternd.
Aber seine Worte erreichten
seinen Sohn nicht. Michael schien wie unter Strom zu stehen und warf immer
wieder besorgte Blicke auf Amys zuckenden Körper. Mitfühlend strich Milton
seinem Sohn über den Kopf.
»Michael. Deine Frau hat eine
starke Seele. Sie wird es schaffen, da bin ich mir ganz sicher. Du musst
Vertrauen in sie haben. Und jetzt solltest du nach draußen gehen und versuchen
etwas zu schlafen. Es nützt keinem von uns etwas, wenn du wie ein Zombie hier
herumschleichst.
Amy wird dich brauchen, wenn sie
aufwacht. Also versuch dich ein bisschen auszuruhen. Ich werde solange bei ihr
bleiben und über sie wachen.«
»Milton hat recht«, stimmte
Sébastien zu. »Komm, lass uns ein wenig an die frische Luft gehen. Du bist schon
ganz grün im Gesicht.« Widerwillig ließ sich Michael von ihm aus dem Zimmer
führen. In der
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