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Traeum weiter Baby

Traeum weiter Baby

Titel: Traeum weiter Baby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Brown
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für die Nerven.
    »Vielen Dank«, sagte ich, »das schmeckt prima.«
    »Algerisch«, sagte die Frau und tippte mit der Faust an ihre Brust.
    »Wir kommen aus Algerien«, bestätigte der Kleine.
    Die Mutter nickte. Sie sah traurig aus.
    Algerien ist ein hartes Pflaster. Ich war erschrocken.
    »Wohnt ihr in Deutschland?« fragte ich den Kleinen.
    Sascha rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her.
    »Mußt du die jetzt in ein Gespräch verwickeln«, flüsterte er nervös.
    Ich hielt ihm ein Stück Brot unter die Nase.
    »Felafel?«
    Er drehte sich kopfschüttelnd weg.
    »Schuldigung«, sagte die Frau und hielt ihm ein Felafel hin, »essen!«
    Sascha guckte sie zuerst etwas mürrisch an, doch dann nahm er das Brot und biß hinein. Dann drehte er sein Gesicht wieder zum Fenster.
    Der Junge erzählte, daß sein Vater ermordet worden war und er jetzt mit seiner Mutter bei dessen Bruder in Köln lebte. Seine Mutter wollte nach Algerien zurück, wenn der Bürgerkrieg zu Ende ist, aber er fühlte sich in Köln wohl, weil dort sein Freund war, der auch Überraschungseier |241| sammelte wie er. Es ging den beiden nicht um die Schokolade, sondern um die Figuren darin. Der Junge hatte es auf insgesamt hundertachtzehn Stück gebracht. Er holte eine Tüte mit Figuren aus seinem Koffer und zeigte sie uns stolz.
    »Ich hab die Dinger auch gesammelt, als ich jünger war«, meldete sich Sascha zu Wort.
    Kein Mensch hätte vermutet, daß er ein Dealer auf Geschäftsreise war.
    »Wirklich?« fragte der Kleine. »Dann haben Sie inzwischen bestimmt ganz viele?«
    »Hatte! Ich hab sie irgendwann weggeworfen.«
    »Oh!« Der Junge war entsetzt.
    »Als ich die Serie zusammenhatte, war der Kick raus«, erklärte Sascha.
    »Wow! Sie hatten eine ganze Serie? Welche war das denn?«
    Sascha grinste verlegen.
    »Ähm, ich glaube, das waren damals die Schlümpfe«, sagte er.
    »Schade, daß Sie sie nicht mehr haben«, sagte der Junge trocken, »sie sind nämlich inzwischen eine Menge wert.«
    Plötzlich blieb der Zug stehen. Ohne daß ich es bemerkt hatte, waren wir an der nächsten Station angekommen. Mein Herz fing wieder an zu rasen. Was, wenn die Polizei abgewartet hatte, um uns in der Falle zu haben, und jetzt zustieg? Aus einem plötzlichen Impuls heraus riß ich Moritz aus dem Wagen, schnappte seine Tasche und ging zur Tür.
    »Bin gleich wieder da«, sagte ich.
    Das Klo neben unserem Abteil war besetzt. Also raste ich mit dem protestierenden Moritz quer durch den nächsten Waggon. Die Toilette war frei. Ich lehnte mich von innen gegen die Tür und preßte Moritz an mich.
    |242| »Sei leise«, sagte ich, »wir sind auf der Flucht.«
    Moritz protestierte weiter, und ich muß zugeben, daß er recht hatte. Wie lange kann man sich in einer Zugtoilette verschanzen, die einen so scharfen Geruch verströmt, daß man den Aufenthalt schnell hinter sich bringen muß, um nicht ins Koma zu verfallen.
    Ich öffnete das Fenster. Die frische Bergluft kämpfte vergeblich gegen den Eigengeruch, den konsequente Nachlässigkeit beim Putzen in diesem Raum geschaffen hatte. Ich guckte durch den kleinen Spalt nach draußen. Außer ein paar Kühen war niemand zu sehen. Kein Don Camillo weit und breit. Moritz fuhr mit seiner kleinen Hand über die schmierige Wand der Toilette.
    »Das ist gar keine gute Idee«, sagte ich und hielt seine Hand unter den Wasserhahn. Moritz quietschte vergnügt. Wenigstens einer, der hier seinen Spaß hatte!
    Als der Zug anfuhr, ging ich langsam zu unserem Abteil zurück.
    Der Junge aus Köln stand auf dem Gang am Fenster und spielte mit seinen Figuren. Es war keine Polizei in Sicht, und ich beruhigte mich wieder. Anscheinend war die Panik völlig überflüssig, denn es war überhaupt kein Problem, giftige Substanzen durch halb Europa zu transportieren. Was die Atomindustrie darf, darf der kleine Bürger auch.
    »Was war denn das für eine Aktion?« fragte Sascha, als ich ins Abteil zurückkam.
    »Moritz hatte ’ne volle Windel. Ich dachte, es ist leichter, ihn zu wickeln, wenn der Zug steht.«
    »Ach so. Klar!«
    Die Algerierin hatte ihre Füße auf meinen Sitz gelegt und war eingeschlafen. Ich nahm das als einen Wink vom Schicksal, daß ich mich nicht im selben Abteil mit dem Koks aufhalten sollte. Inzwischen machte ich mir zwar keine Sorgen mehr, daß unsere Fracht irgend jemanden interessieren |243| könnte, aber wenn ich sie ständig vor Augen hatte, konnte ich nicht in Ruhe darüber nachdenken, wie ich sie unauffällig loswerden

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