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Traeum weiter Baby

Traeum weiter Baby

Titel: Traeum weiter Baby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Brown
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Abteil neben dem Eingang waren noch Plätze frei, und ich stellte Moritz ab.
    »Mußtest du es so spannend machen«, fragte Sascha genervt, als er ins Abteil kam.
    »Ist ja gut«, sagte ich resigniert, »ich bin doch hier!«
    In Wirklichkeit war überhaupt nichts gut.
    Ich saß in einem Abteil mit einem Mann, der mich als Kurier benutzte und keine Skrupel haben würde, mich ans Messer zu liefern, um seinen Kopf zu retten. Es war unwahrscheinlich, daß er sich in der letzten Minute |235| dazwischenwerfen würde, wenn Bullen mit blonden Schnauzbärten und Knüppeln mir Handschellen anlegen wollten. Halt, das ist ein Mißverständnis, verschont die Frau, sie weiß von nichts. Ich bin das Arschloch, haut mir den Knüppel über den Schädel. Eine starke Szene, aber unwahrscheinlich, daß sie sich so abspielen würde. Nicht nur unwahrscheinlich, sondern gänzlich ausgeschlossen.
    Ich war verloren.
    Ich sah Paula im Gerichtssaal. Sie trug ein schwarzes Armanikostüm, für dessen Erwerb sie ihren mühsamen Abnabelungsprozeß vom Konto ihres Vaters vorübergehend unterbrochen hatte. Bei der Urteilsverkündung würde sie theatralisch in Tränen ausbrechen, denn Sascha hatte die besseren Anwälte gehabt, die das Gericht davon überzeugen konnten, daß ich unter dem Deckmäntelchen der braven Hausfrau und Mutter Drogen vertickte, während Sascha, der seriöse Manager eines bekannten Szene-Clubs, meine Sucht tapfer ertragen hatte und über dem vergeblichen Versuch, mich davon zu kurieren, so verzweifelt war, daß er sich trostsuchend in die Arme seiner selbstlosen Chefin flüchten mußte. Oder so ähnlich. Jedenfalls mußte ich in den Knast, und Moritz wuchs bei Sascha und Doro auf.
    Hilfe!
    Ich guckte Sascha an. Er wirkte vollkommen gelassen, wie er so aus dem Fenster schaute. Auffällig war nur, daß er sich öfter durch die Haare strich als sonst.
    »Sascha, laß uns in Mestre aussteigen und einfach hierbleiben!«
    Sascha schreckte aus seinen Gedanken hoch. Dann verzog er seine hübschen Lippen, als hätte ich einen etwas mittelmäßigen Witz gemacht.
    »Prima Idee, Mel! Ich könnte ja auf Gondoliere umschulen!«
    |236| »Es war so schön hier mit dir! Wenn wir zu Hause sind, wird alles anders.«
    »Warum sollte es das?«
    Sascha machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Mel, wir haben doch schon darüber gesprochen! Wir verbringen wieder mehr Zeit miteinander, aber ich muß halt arbeiten. Irgendwoher muß das Geld ja kommen!«
    »Mhm.«
    »Na, also! Hab ich dir übrigens schon gesagt, daß ich heute abend noch kurz in den Club muß?«
    Er hatte es gesagt, aber mein Magen wollte es anscheinend nicht kapieren. Er zog sich zu einem harten Klumpen zusammen, der sich den Weg durch meine Speiseröhre bahnte.
    »Ich muß mal kurz raus«, murmelte ich und stand auf.
    »Aber komm wieder!«
    Haha!
    Das Klo war direkt neben dem Abteil. Es war klein und eng. Ich setzte mich auf den Waschbeckenrand und wartete darauf, daß ich mich übergeben mußte, bis mir die Idee kam, den Schnee hier hereinzuschmuggeln und ihn über die Alpen zu verteilen. Daraufhin beruhigte sich mein Magen, dafür arbeitete es jetzt in meinem Kopf weiter. Ich wollte Saschas Deal unbedingt verhindern, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie ich das anstellen sollte. Als ich zurück ins Abteil kam, hatte sich dort die islamische Drogenpolizistin mit ihrem Sohn breitgemacht. Moritz strahlte den Jungen honigkuchenmäßig an. Sascha fuhr sich mit den Händen durch die Haare.
    »Wo warst du so lange?«
    »Ich habe zum Fenster rausgeguckt. Was meinst du, gibt es diesen Winter genug Schnee zum Snowboarden?«
    Sascha zuckte mit den Achseln.
    »Bin ich ein Wetterfrosch?«
    Ich lächelte unverbindlich und gab ihm einen Kuß, |237| dann ließ ich mich auf meinen Sitz fallen. Sascha beugte sich nach vorne.
    »Jetzt mach doch nicht so ein Gesicht, Mel! Du tust gerade so, als ob das unser letzter gemeinsamer Urlaub war!«
    Ich seufzte.
    »Baby, wir fahren doch wieder zusammen weg. Entweder nach Venedig oder zum Snowboarden, das ist doch egal!«
    Dann drehte er sein Gesicht zum Fenster und starrte hinaus. Er sah bedrückt aus.
    Der Sohn der Drogenpolizistin guckte ihn neugierig an. Keiner redete ein Wort.
    In Mestre stieg ein sportlich gekleideter Typ Anfang Dreißig ins Abteil und quetschte sich auf den letzten freien Platz. Er nickte uns allen freundlich zu und verstaute seine verdächtig kleine Reisetasche unter dem Sitz. Kein Mensch verreist mit so wenig Gepäck. Entweder

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