Traeume Aus 1001 Nacht Band 04
war doch seine Frau, bestimmt war sie bei der Beerdigung dabei gewesen.
Langsam und schweigend gingen sie über den Balkon. Wenige Meter vor ihnen plätscherte ein Miniaturspringbrunnen. Daneben bildeten Korbsessel um einen niedrigen Tisch herum angeordnet eine kleine Sitzgruppe. Alles hier strahlte Ruhe und Harmonie aus. Das Geräusch des fließenden Wassers war sehr wohltuend. Vom Meer wehte eine leichte Brise und brachte die wundervollsten Gerüche mit.
„Es ist so schön hier.“ Anna trat ans Geländer und blickte hinab. So geborgen sie sich hier auch fühlte, es fiel ihr schwer zu glauben, dass dieses luxuriöse Anwesen ihr Zuhause sein sollte.
Das Haus, das auf einer Anhöhe lag, wirkte von innen noch größer als von außen. Überall gab es üppiges Grün und blühende Pflanzen. Vom Innenhof führten Steinstufen hinunter und durch mehrere aufeinander folgende Terrassen. Auf einer von ihnen erstreckte sich ein riesiger, mit wunderschönen Kacheln ausgelegter Swimmingpool.
Weiter unten sah man den menschenleeren Strand. Der fast weiße Sand erstreckte sich meilenweit in beide Richtungen. Jenseits der Bucht war das Land hügelig. Auf der anderen Seite konnte man einen Blick auf die Stadt erhaschen, bevor das Ufer eine Biegung nach links machte. Der größte Teil der Aussicht bestand jedoch aus dem endlosen Blau des Meeres. Allein der Anblick wirkte wie Balsam für Annas Seele.
Sie drehte sich um, als sie hinter sich leises Gemurmel hörte. Der Diener war wieder erschienen und brachte eine Kristallkaraffe mit Fruchtsaft und eine riesige Schale mit frischen, saftigen Früchten. Geräuschlos stellte er alles auf dem Tisch ab und verschwand wieder.
Anna ließ sich in einen der Sessel sinken. Wortlos füllte Ishaq ein Glas mit Saft und reichte es ihr. Begierig hob sie es an die Lippen und trank. Dann zog sie die Knie an und lehnte sich zurück. Sie schloss die Augen und genoss es, dass der leichte Wind über ihr Gesicht und ihre nackten Zehen strich. Einen Moment lang gelang es ihr, ihre Ängste zu vergessen.
Ishaq, der sich in den Sessel neben ihr gesetzt hatte, beobachtete sie über den Rand seines Glases. Als sie die Augen öffnete und ihn anschaute, brachte sein Blick sie sofort wieder aus der Ruhe.
„Und wie soll es jetzt weitergehen, Anna?“
Erneut schloss sie die Augen. Sie fühlte sich der Kraft, die Ishaq ausstrahlte, kaum gewachsen. „Ishaq, ich bin so müde. Können wir das nicht auf morgen verschieben?“
„Du möchtest es wohl hinauszögern, nicht wahr? Warum?“
„Ich verstehe wirklich nicht, was du willst.“ Anna seufzte. „Ich bin hier, das Baby ist hier. Was willst du noch?“
Er lächelte. „Das weißt du wirklich nicht?“
„Wenn ich mich nicht einmal mehr daran erinnern kann, mit dir verheiratet zu sein, wie soll ich da wissen, was du von mir willst?“, rief sie und spürte, dass sie kurz davor war, die Nerven zu verlieren.
„Na schön. Dann lass uns damit anfangen, woran du dich erinnerst. Deiner Erinnerung nach hast du also vor sechs Wochen ein Kind entbunden, das bei der Geburt gestorben ist.“
Was für eine Närrin war sie doch gewesen, ihm das zu verraten! Sie hatte nicht die geringste Erinnerung daran, was für ein Mann er war. Sicherlich hatte sie gute Gründe gehabt, es ihm nicht früher zu erzählen. „Ja, so kommt es mir vor.“
„Und du warst völlig verzweifelt deswegen.“
„Ja, natürlich.“ Sie begegnete seinem Blick und hoffte verzweifelt, ihm standhalten zu können. „Und vergiss nicht, du hattest damit nichts zu tun, Ishaq. Du bist in jener Zeit in meinem Leben nicht vorgekommen.“
„Und dann hast du dir überlegt, wie du wohl ein Kind adoptieren könntest, da du als alleinstehende Frau normalerweise keine Chance dazu hast.“
„Was?“ Überrascht riss sie die Augen auf. „Das habe ich mit Sicherheit nie gesagt! Wieso unterstellst du mir so etwas?“
„Anna, die Zeit drängt. Alles, was ich will, ist die Wahrheit.“
„Was für eine Wahrheit?“, rief sie und war jetzt wirklich wütend geworden. „Du erzählst mir andauernd etwas anderes. Wie soll ich mich jemals wieder richtig erinnern können, wenn du deine Version von der Wahrheit ständig änderst? Warum drängt die Zeit? Warum ist die Vergangenheit so wichtig? Es ist doch alles vorbei, oder nicht?“
„Du wolltest ein Baby – mehr als alles andere“, fuhr er fort, so als hätte er nicht gehört, was sie gesagt hatte.
„Ishaq …“
„Wolltest du ein Baby – mehr als
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