Träume in Kristall
vor? Du hättest rechtzeitig aufpassen sollen!« »Ich konnte doch da nichts tun!«
»Rede keinen Unsinn! Als ob eine Künstlerin so etwas jedesmal einfach hinnehmen dürfe! Was meint denn dein Mann dazu?«
»Er freut sich und verwöhnt es.« »Hm.«
»Und ich bin glücklich, wenn ich denke: da habe ich früher solche Dinge getrieben, und trotzdem habe ich jetzt ein Kind.«
»Es wäre wohl besser, du gäbst das Tanzen auf.« »Nein, niemals!« Das sagte sie mit einer so überraschend hefigen Stimme, daß er schwieg.
Immerhin kam es bei Chikako zu keiner zweiten Niederkunf. Auch sah man sie nie mit jenem Kind, das sie geboren hatte. Vielmehr schien, möglicherweise deswegen, ihr Eheleben allmählich sich zu trüben und zu verwildern. Gerüchte darüber drangen auch an sein Ohr.
So unbekümmert wie dieser Boston-Terrier dürfte Chikako ihrem Kind gegenüber gewiß nicht gewesen sein.
Und selbst die jungen Hunde wären zu retten gewesen, wenn er sie hätte retten wollen. Nach dem Tod des ersten hätte er nur das Stroh ganz klein hacken oder ein Tuch darüberbreiten brauchen, so wären die folgenden Fälle zu vermeiden gewesen. Aber auch das zuletzt verbliebene Hündchen ging schließlich den gleichen Weg in den Tod wie seine drei Geschwister. Nicht, daß er gedacht hätte: es wäre besser, die Hündchen stürben. Er hatte andererseits aber auch nicht gewünscht: sie müssen unbedingt am Leben bleiben. Daß er derart gleichgültig gewesen war, lag wohl daran, daß es sich um Bastarde gehandelt hatte.
Öfers war es vorgekommen, daß sich dem Mann ein auf der Straße umherstreifender Hund angeschlossen hatte. Und den ganzen Weg über mit ihm redend, war er nach Hause zurückgekehrt, hatte ihm zu fressen gegeben und ihn an einem warmen Platz über Nacht behalten. Dankbar hatte er empfunden, daß ein solcher Hund seine freundliche Absicht begriff. Nachdem er indessen angefangen hatte, selber Hunde zu halten, wandte er sich nach dergleichen Straßenkötern nicht einmal mehr um. Wahrscheinlich geht es mit den Menschen ähnlich –, spottete er über seine Einsamkeit, voller Verachtung für alle diejenigen, die ihr Leben innerhalb der Familien verbrachten.
Mit der jungen Lerche war es tatsächlich dasselbe. Sein Mitleid, aus dem er sie hätte am Leben erhalten und aufziehen wollen, erlosch sofort wieder, und indem er sich sagte: ich kann ja nichts dafür, daß man einen untauglichen Vogel aussetzt –, überließ er sie den Kindern, die sie vermutlich zu Tode marterten.
Indessen, schon hatten seine Goldhähnchen, während er für so kurze Zeit nach der jungen Lerche sah, allzu lange im Wasser gebadet.
Erschrocken nahm er den Badekäfig aus dem Zuber, aber die beiden lagen auf dem Käfigboden wie nasse Lumpen und regten sich nicht. Als er sie auf seine Handfläche setzte, und sie zuckten mit den Beinen, faßte er wieder Mut: »Oh, so leben sie also doch noch!« Mit beiden Händen umschloß er sie, die die Augen schon halb geschlossen hatten und bis in ihre kleinen Körper durchgekühlt waren, so daß sie kaum noch zu retten schienen, und wärmte sie über einem länglichen Stövchen, während er das Hausmädchen die nachgeschüttete Holzkohle anfächeln hieß. Wasserdampf stieg aus dem Gefieder. Die Vögel bewegten sich wie in Krämpfen. Er hoffte, daß sie, und wäre es nur durch den Schreck über die auf ihre Körper strahlende Hitze, die Kraf fänden, gegen den Tod anzukämpfen; da er aber selbst an den Händen die Glut nicht ertragen konnte, breitete er ein Handtuch auf den Boden des Badekäfigs, setzte die Vögel darauf und hielt sie so über das Feuer. Sogar das Handtuch sengte an und wurde braun. Von Zeit zu Zeit, als würden sie aufgezogen, taumelten die Vögel mit hefig flatternden Flügeln umher; aber es blieb ein Versuch, denn stehen konnten sie nicht, und auch die Augen hatten sie wieder geschlossen. Ihr Gefieder war nun völlig trocken. Als er jedoch den Käfig vom Stövchen nahm, lagen sie am Boden wie zuvor und machten nicht den Eindruck, als ob sie wirklich am Leben wären. Das Mädchen ging hinüber in jenes Haus, in dem man die Lerchen aufzog, und kam zurück mit dem Ratschlag: man solle Vögel, wenn sie schwach seien, einfach grünen Tee zu trinken geben und sie in Watte einhüllen. Also nahm er die Vögel, nachdem er sie in Watte gepackt hatte, in beide Hände und tauchte ihre Schnäbel in den leicht abgekühlten grünen Tee. Und die Vögel tranken. Nach einer Zeit hielt er sie dicht vor einen
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