Träume jenseits des Meeres: Roman
trocknete sich die Tränen. »Meine Freundin Ann hat sich um mich gekümmert. Ich bin direkt zu Ezra zurückgegangen, nachdem … nachdem …« Sie atmete tief durch. »Ich habe versucht weiterzumachen, als wäre nichts geschehen, aber meine Arme fühlten sich so leer an.« Neue Tränen stiegen auf, und er drückte sie wieder an sich.
»Und das alles hast du jahrelang für dich behalten«, murmelte er und strich ihr zärtlich über das Haar. »Du bist so tapfer, viel stärker als ich. Wie kann ich es dir – ihr – je wiedergutmachen?« Sanft küsste er sie auf die Stirn. Die Sonne versank allmählich hinter den Hügeln, und ihre Tränen vermischten sich, als sie ihr verlorenes Glück und ihr verlorenes Kind betrauerten.
Die Zeit verging, und die Sonne verschwand am Horizont. Schließlich löste sie sich aus seinen Armen, putzte sich die Nase, tupfte sich die Augen ab und atmete tief durch. »Ich bin froh, dass ich es dir endlich gesagt habe. Aber es auszusprechen war genauso schmerzhaft wie das Verschweigen, und es tut mir leid, dass ich dir so viel Schmerz bereitet habe.«
Er räusperte sich. »Du musst mir sagen, wo sie begraben ist«, sagte er. »Ich werde dafür sorgen, dass ihr Grab gepflegt wird.«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir überlassen sie lieber Gott«, murmelte sie. Der Himmel flammte auf.
»Wie du willst«, erwiderte er traurig. »Sie weiß, ihre Eltern hätten sie geliebt, Blumen trösten nur die Lebenden.« Er langte in die Tasche nach seiner Zigarrendose. Sobald die Zigarre zu seiner Zufriedenheit brannte, fand er seine Kraft wieder und stand wieder hoch aufgerichtet vor ihr. Nur seine Augen verrieten den inneren Schmerz.
»Auch ich verlasse Sydney«, sagte er kurz darauf. »Ich gehe nach Norden an den Endeavour River und versuche, Watpipa und sein Volk zu finden.«
Susan folgte seinem Beispiel. »Ich hoffe, du findest sie in besserem Zustand vor als die armen Seelen hier«, murmelte sie. »Wie ich dich um deine Freiheit beneide, zu reisen und dieses wilde Land zu erforschen.«
»Dann komm mit«, sagte er, warf die halb gerauchte Zigarre fort und nahm ihre Hände. »Das wird das Abenteuer, von dem wir damals in Cornwall immer geredet haben.« Seine Miene hellte sich hoffnungsfroh auf, als er ihre Hände an seine Brust drückte. »Heirate mich, Susan! Verlasse Ezra und lebe mit mir als meine Frau, bis du frei bist.«
»Ich wünschte, ich könnte mitkommen«, seufzte sie. »Und ich wünschte mir so sehr, dass wir endlich heiraten könnten, denn ich weiß, wir wären glücklich miteinander gewesen.« Sie verstummte und versuchte sich von ihm zu lösen, doch war sein Griff fester geworden, als sei sie seine Gefangene. »Aber ich bin nicht frei«, sagte sie. »Ich werde nie frei sein. Und ich habe Ezra genug verletzt.«
»Aber ich liebe dich, Susan. Ich habe dich immer geliebt.«
»Ich weiß«, flüsterte sie, legte ihm eine Hand an die geliebte Wange. Er küsste ihre Handfläche. »Und ich habe dich auch immer geliebt. Aber es ist zu spät.«
Sie streichelte seine Wange und fuhr mit den Fingern über das tränenförmige Mal an seiner Schläfe, das ihr so vertraut war und das sie so liebte. Mit einem sanften Kuss zog sie sich zum letzten Mal von ihm zurück. Tränenblind lief sie über den Strand zurück.
»Leb wohl, mein Geliebter!«, flüsterte sie in den Wind.
Über die Autorin
Tamara McKinley wurde in Australien geboren und verbrachte auch ihre Kindheit im Outback des fünften Kontinents. Heute lebt sie an der Südküste Englands, aber die Sehnsucht treibt sie stets zurück in das weite, wilde Land von dem sie in jedem ihrer Romane faszinierende neue Facetten entfaltet.
Besuchen Sie die Autorin auf ihrer Website www.tamaramckinley.co.uk
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