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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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gähnte, kratzte sich den Kopf und pickte mit geübter Hand Zecken und Läuse heraus, die sie rasch zwischen den Fingern zerdrückte. Es war ihr gelungen, so lange nicht einzuschlafen, bis die Alte schnarchte, doch als sie mitten in der Nacht wach geworden war, hatte sie mit raschem Blick erfasst, dass es zu spät für sie war, dem Unvermeidlichen Einhalt zu gebieten.
    Ihr einziger Trost war, dass die alte Frau nicht wach geworden war und Malangi weitergeschnarcht hatte, ohne etwas vom Seitensprung seiner jüngsten Frau mitzubekommen. Garnday wusste, dass sie mit ihrem Sohn reden musste, bevor jemand merkte, was vor sich ging.
    Djanay musste begreifen, in welcher Gefahr er schwebte – sie würde ihn sich vorknöpfen, wenn der Rest des Clans anderweitig beschäftigt war.
    Sie hockte sich an die Feuerstelle, griff nach dem glatten Mahlstein und begann mit der ermüdenden Arbeit, Samen mit Kräutern zu Mehl zu verarbeiten, das sie mit Wasser vermischte und zu Fladen knetete, die in der Glut gebacken wurden. Dieses ungesäuerte Brot war ein wichtiger Bestandteil ihrer Nahrung; sie aßen es mit Fleisch und Fisch noch vor Sonnenaufgang und bei Einbruch der Dunkelheit, wenn die Jagd erfolgreich gewesen war.
    Djuwe näherte sich dem Lagerfeuer mit einem Binsenkorb voll frisch gefangener Fische, eine silbrige Masse, die sie neben Garnday ausschüttete. »Ich bin eine gute Fischerin«, sagte sie. »Ich fange große Fische.«
    Der Triumph in ihren Augen grenzte an Unverschämtheit, ihre Worte waren doppeldeutig, und Garndays Hand zuckte. Am liebsten hätte sie in dieses kecke Gesicht geschlagen. Stattdessen hielt sie ihre Zunge im Zaum und schwieg, während sie jeden Fisch einzeln in Blätter und Kräuter einwickelte und neben das Brot in die Glut legte. Über kurz oder lang würde Djuwe die Kraft ihrer Wut kennenlernen.
    Dabei gab sie dem Mädchen nicht allein die Schuld. Djanay war töricht, halsstarrig und schwach – er war eben ein Mann und kam nicht dagegen an. Trotz ihrer Tüchtigkeit beim Jagen und ihres großspurigen Geredes konnten Männer nicht ohne Frauen überleben: Sie hatten ihre Bedürfnisse, und darin lag ihre Schwäche.
    Die Sonne lugte gerade eben über den Horizont, und die Kälte der Nacht glitzerte noch im hohen Gras. Erregung breitete sich aus, als man über Pläne sprach. Sobald sich alle den Bauch bis zum Platzen gefüllt hatten, wurde das Feuer gelöscht, und die Männer griffen zu ihren Speeren, Bumerangs, woomeras und Schilden.
    Die alte Frau begann mit ihrem jährlichen Ritual, Eier von Emus zu sammeln. Unter ihren harschen Befehlen trugen Garnday und die anderen Frauen die Eier vorsichtig zum Fluss hinunter. Das Fleisch des ngurrurdu war zäh und nicht sehr nahrhaft, doch diese nicht ausgebrüteten Eier, deren Inhalt sich längst verflüchtigt hatte, ergaben ausgezeichnete Wasserbehälter. Mit einem scharfen Stein wurden sie angestochen und gefüllt, dann wurden die Löcher mit Pfropfen aus geflochtenem Gras verstopft.
    »Wir haben genug«, verkündete die alte Frau. »Verteilt sie. Sie dürfen nur im Notfall benutzt werden«, schnarrte sie. »In der Wüste gibt es noch andere Wasserquellen.«
    Garnday setzte sich den Säugling auf die Hüfte, rückte Eier und Kind in eine bequemere Position und wartete, auf ihren starken Grabstock gestützt, dass die Ältesten die Geister besängen, bevor sie den Weg wieder aufnahmen. Sie hatte keine Gelegenheit gehabt, mit Djanay zu reden – sie musste es auf später verschieben.
    Ein dichter Schwarm winziger bunter Vögel zog wie eine Wolke über das Lager. Das war ein gutes Omen. Die Vögel waren nach Hause zurückgekehrt – also würden sie es auch schaffen.
    Nachdem die unumgänglichen Gesänge und Rituale vorbei waren, stampften die Ältesten mit den Füßen, hoben die Schilde und stießen einen lauten Triumphschrei aus. Zeit aufzubrechen.
    Sobald der Clan die langen, kühlen Schatten der roten Klippen verlassen hatte, änderte sich die Landschaft abrupt. Die Erde war blutrot, die Bäume verkümmert und welk. Die Hitze zog sich in Wellen über den ausgedörrten Boden. Erdbeben hatten höhlenartige Schluchten und hoch aufragende rote und schwarze Felsnadeln entstehen lassen; Wächtern gleich, standen riesige Ameisenhügel an ihrem langen Weg nach Süden. Der Himmel war strahlend blau, aber am Horizont von einer grauen Säule verdunkelt. Das war der Geist des Hollow Mountain, der Feuer und Rauch spie, um Unbefugte zu warnen. Doch Garnday wusste, dass

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