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Traeume, zart wie Seide

Traeume, zart wie Seide

Titel: Traeume, zart wie Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Bird
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diese in den fünfziger Jahren als Debütantin getragen hatte. Heute litt Emma Moorehouse, die alle nur Grand-Em nannten, an fortgeschrittener Demenz und lebte in ihrer eigenen Welt – und das hieß hauptsächlich in der Vergangenheit. Deshalb bestand sie darauf, jeden Morgen eine ihrer eleganten Roben anzuziehen, damit sie für die Teegesellschaften und Partys, die ihrer Meinung auf sie warteten, gut gekleidet war. Bis jetzt war es Joy gelungen, ihre Fantasiewelt aufrecht zu erhalten, indem sie die über fünfzig Jahre alten Kleider mit viel Geschick und Einfallsreichtum in Schuss hielt.
    Im Laufe der Jahre war daraus eine Passion entstanden, und sie hatte begonnen, eigene Entwürfe zu zeichnen, von denen sie nun endlich einmal einen umsetzen konnte.
    „Dieses Wochenende sind drei Zimmer belegt“, bemerkte Frankie, als sie wieder in ihre Jeans schlüpfte. „Die ersten Touristen, die zum Indian Summer kommen, um sich die herbstbunten Adirondack Mountains anzuschauen.“
    Es war ihr Vater gewesen, der den riesigen Herrensitz in ein Pensionshotel umgebaut hatte, und seit dem Unfalltod der Eltern vor zehn Jahren kämpfte Frankie darum, das Familienerbe zu erhalten.
    Dennoch hätten die Schulden sie letztendlich zum Verkauf gezwungen, wenn nicht im Sommer Nate Walker aufgetaucht wäre, der jetzt mit Frankie verlobt war. Der erstklassige Koch hatte es mit seinem französischen Essen geschafft, das Restaurant des White Caps in gehobenen Kreisen zu einem Geheimtipp zu machen. Außerdem hatte er als neuer Partner in die dringend nötige Renovierung investiert, sodass es nun nach langer Zeit wieder aufwärtszugehen schien.
    „Also, noch mal wegen heute Abend“, sagte Frankie, während sie sich die Schuhe zuband. „Spike übernimmt das Restaurant, mit George als Aushilfe. Nate, Tom und ich machen uns in etwa einer Stunde auf den Weg zu den Bennetts, um mit den Vorbereitungen zu beginnen. Könntest du so gegen fünf da sein?“
    „Kein Problem.“
    „Zum Glück hat sich Alex bereit erklärt, auf Grand-Em aufzupassen. Weiß er, was ihn erwartet?“
    Joy nickte. „Das schafft er schon, und zur Not ist ja auch noch Spike hier, wenn sie einen ihrer Anfälle hat. Aber in letzter Zeit ist es etwas besser geworden. Die neuen Medikamente scheinen zu wirken.“
    Normalerweise war es Joys Aufgabe, sich um die alte Dame zu kümmern, weil sie es mit ihrer liebevollen Geduld fast immer schaffte, Grand-Em zu beruhigen, wenn sie ihre Wahnvorstellungen bekam. Doch für die große Feier auf dem Bennett-Familiensitz brauchten sie jede Hand.
    „Ich bin wirklich froh, dass Gray uns diese Chance gibt“, bemerkte Frankie. „Für einen Politiker ist er gar nicht mal so übel.“
    Beinahe hätte Joy geantwortet, dass Gray kein Politiker war, sondern politischer Berater für Wahlkampagnen. Doch damit hätte sie verraten, dass sie viel mehr über ihn wusste, als Frankie dachte. Und sie hatte nicht vor, ihr streng gehütetes Geheimnis ausgerechnet jetzt zu lüften.
    Schon seit Jahren schwärmte sie für Gray, wenn auch meistens aus der Ferne. Der Mann lebte und arbeitete in Washington und kam nur im Sommer nach Saranac Lake, um den Urlaub auf dem Familiensitz der Bennetts zu verbringen. Außer einer kurzen Unterhaltung vor ein paar Wochen, als er sie auf dem Badesteg des White Caps überrascht hatte, hatte sie in all den Jahren kaum drei Worte mit ihm gewechselt. Und heute Abend würde sie sich ganze drei oder vier Stunden in seiner Nähe aufhalten!
    Aber vielleicht war genau das keine so gute Idee. Immerhin wurde sie bald siebenundzwanzig, und sie konnte schließlich nicht den Rest ihres Lebens damit verbringen, einen völlig unerreichbaren Mann anzuhimmeln.
    „Wenn du lieber nähen willst, rufe ich eine der Aushilfskellnerinnen an“, äußerte Frankie unvermittelt.
    „Nein, nein“, erwiderte Joy hastig. „Ich freue mich drauf, mal rauszukommen, ehrlich.“
    Allein der Gedanke daran, wie gut Grayson Bennett heute Abend im maßgeschneiderten Anzug aussehen würde, ließ ihren ganzen Körper kribbeln.
    Frankie betrachtete sie nachdenklich. Joy stellte wieder einmal fest, dass die Kontaktlinsen ihrer Schwester gut standen. Früher hatte sie eine Brille getragen, aber die Linsen ließen ihre tiefblauen Augen noch blauer wirken.
    „Ich habe mich gestern ein bisschen mit Tom unterhalten, und er hat mich richtig über dich ausgefragt“, sagte Frankie beiläufig. „Er ist ein wirklich netter Kerl.“
    Das stimmte. Tom Reynolds, der neue

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