Traeume, zart wie Seide
Hilfskoch, lächelte immer freundlich, wenn er Joy sah, hatte gute Umgangsformen, einen sanften, warmen Blick und Sinn für Humor.
Aber Joy mochte nun mal Männer wie Gray, die Macht ausstrahlten und Charisma besaßen. Die wussten, was sie wollten, und es sich nahmen – auch im Bett. Nicht dass sie das jemals selbst erfahren hätte.
Mit Männern wie Gray verband Joy die Vorstellung von heißem, hemmungslosem Sex – und das hätte Frankie wahrscheinlich ziemlich schockiert. Trotz ihres Alters sah Frankie in der „kleinen“ Schwester noch immer das unschuldige Mädchen, das es zu beschützen galt. Doch Joy hatte keine Lust mehr auf diese Rolle, vor allem nicht, wenn Gray Bennett in der Nähe war.
„Vielleicht solltest du mal mit Tom ausgehen“, schlug Frankie vor.
Joy zuckte die Achseln. „Ja, vielleicht.“
Als Frankie gegangen war, ließ sich Joy aufs Bett sinken. Sie wusste ja selbst, dass sie mit diesen Fantasien über Gray aufhören musste. Es war lächerlich, von einem Mann zu träumen, den man nur ein paar Mal im Jahr sah. Außerdem hatte er ihr auch nie den kleinsten Anlass zur Hoffnung gegeben. Sicher, er grüßte sie freundlich, wenn er sie zufällig in der Stadt traf, und erinnerte sich sogar an ihren Namen – aber das war auch schon alles.
Bestimmt sah er in ihr nur ein nettes, junges, unerfahrenes Ding, ein Mädchen aus der Provinz, das für ihn überhaupt keinen Reiz hatte.
Deshalb hatte sie sich fest vorgenommen, Grayson Bennett endlich zu vergessen und ihre schwärmerischen Fantasien aufzugeben. Zu dumm nur, dass sie es trotzdem nicht abwarten konnte, ihn heute Abend endlich wiederzusehen.
Mit geschickten Bewegungen band Gray seinem Vater die Krawatte. Seit dem Schlaganfall vor fünf Monaten hatte Walter Bennett linksseitige Ausfälle. Durch die Reha-Übungen war es zwar schon besser geworden, doch mit der Feinmotorik wollte es noch nicht wieder so recht klappen.
„Bist du bereit für die große Party, Papa?“
„Ja, bin ich.“ Walter sprach ein wenig undeutlich und abgehackt.
„Und du siehst toll aus.“ Gray rückte den Knoten noch ein wenig zurecht und betrachtete sein Werk.
Walter klopfte sich mit der Hand auf die Brust. „Bin glücklich. Sehr glücklich.“
„Ja, ich auch.“
„Wirklich?“
„Klar.“
„Lüg nicht.“
Das Alter hatte Walters Rücken gebeugt, doch er war noch immer eine stattliche Erscheinung. Und obwohl er im Gegensatz zu seinem Sohn eher sanftmütig veranlagt war, konnte er auch sehr direkt sein.
Gray versuchte, ihn mit einem Lächeln zu beruhigen. „Ich freue mich drauf, wieder in Washington zu sein.“ Was die zweite Lüge war.
Walter runzelte die Stirn, während Gray ihm die Manschettenknöpfe anlegte. Beinah konnte Gray hören, wie sein Vater ihm in Gedanken eine Standpauke hielt. Doch weil Walter das Sprechen zu große Anstrengungen bereitete, wurde nur ein Satz daraus.
„Du solltest … mehr reden.“
„Worüber?“
„Dich.“
„Ach, da gibt es doch wirklich bessere Themen. Außerdem weißt du doch, dass ich von diesem ganzen Seelenstriptease nicht viel halte. Okay, fertig. Jetzt muss ich duschen und mich umziehen.“
„Du brauchst … Veränderung.“
Gray nickte, beendete das Gespräch jedoch, indem er in sein eigenes Zimmer ging. Auf dem Weg hielt er kurz vor der Tür zu dem Gästezimmer inne, das er seiner alten Freundin Cassandra Cutler zur Verfügung gestellt hatte. Er machte sich Sorgen um sie. Ihr Mann Reese war der Segelpartner von Alex Moorehouse gewesen, und vor sechs Wochen waren die beiden mit ihrem Boot in einen Hurrican geraten. Während Alex nach dramatischen Stunden gerettet worden war, hatte man Reese nur noch tot geborgen.
Nachdem Gray davon erfahren hatte, war er sofort nach New York gefahren, um persönlich nach Cassandra zu sehen. Zum Glück hatten ihre gemeinsamen Freunde Allison Adams und ihr Mann, der Senator, sie bereits unter ihre Fittiche genommen. Die New Yorker High Society hatte normalerweise für Trauer wenig Verständnis. Deshalb hatte Gray Cassandra eingeladen, das Wochenende in den Adirondack Mountains zu verbringen.
Nachdenklich ging er weiter. Cassandra und Allison waren in den Kreisen, in denen er verkehrte, die absolute Ausnahme – sie liebten ihre Männer und hätten sie nie betrogen. Reeses Unfalltod erschien ihm daher besonders unfair.
Die meisten anderen Frauen, die er kannte, waren ihrem Modedesigner treu, aber nicht ihrem Ehemann. Eine Hochzeit war für sie ein netter Anlass,
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