Traeumer und Suender
â, verzerrt, aber vor Liebe verzerrt, eine Nacht mit einem jungen polnischen Schauspieler, den Sie nicht kennen. Noch nicht. Aber sein Gesicht, Gegenschuss. Spielberg hat mich schon angerufen. Der neue Harrison Ford, ach was, der neue Heath Ledger.
Ich will Ihnen mal die Geschichte erzählen:
Am Abend des 31.8.1939 überfallen sechs teilweise in polnische Uniformen gekleidete SS-Leute unter Leitung des Sturmbannführers Alfred Naujocks den Reichssender Gleiwitz. Das laufende Programm wird unterbrochen, über das Gewittermikrofon wird auf Polnisch und in extra schlechtem Deutsch der Aufstand der polnischen Minderheiten ausgerufen. â¹Achtung! Achtung! Uwaga! Uwaga! Hier ist Gleiwitz. Der Sender befindet sich in polnischer Hand.⺠Als Beweis wird Franciszek Honiok, ein Pole, den man einenTag vorher verhaftet und unter Drogen gesetzt hat, erschossen und im Sender zurückgelassen.
Wussten Sie, dass Honiok als â¹Konserve⺠bezeichnet wurde? Deponiert als Konserve. Mitgenommen, erschossen und das Kriegsfass mit einer Lüge aufgemacht. Und dessen Geschichte erzählen wir, die von Franciszek, seine Liebesgeschichte kurz zuvor â mit Nicole Kidman! â, seine Gefangennahme durch die Gestapo. Die Liquidation als Konserve. Der erste Tote des Krieges.
Mein Gott, was für kaltblütige Aasgeier. Aber die Propaganda hatte von Anfang an Schwierigkeiten. Die Blitzlichtaufnahmen vom Beweisstück Honiok waren dem Chef des Sicherheitsdienstes, Reinhard Heydrich, zu schlecht und so mussten noch zwei weitere Tote aus dem KZ-Sachsenhausen herangeschafft werden.
Das gab Hitler alle Karten in die Hand. Dieser Naujocks übrigens ist ein interessanter Bursche, er war danach noch an vielen Aktionen beteiligt, eine Art brutaler Nazi-James-Bond, erhielt das Eiserne Kreuz aus Hitlers Hand. Er hat sogar versucht, das britische Weltreich mit gefälschten 50-Pfundnoten zu überschwemmen. Das hätte fast den Zusammenbruch der Kriegswirtschaft im Empire bedeutet. Die Bank von England hat nach dem Krieg sofort alle 50-Pfundnoten eingezogen und durch neue ersetzt. Reicht Ihnen das als â¹Aufklärungsbeitragâº?»
Der alte Mann hatte sich in seinem Stuhl aufgestützt, den Oberkörper, der etwas von seiner Zähigkeit verriet, vorgebeugt. So hager er jetzt auch war, was man am Hemd sah, das unter der ebenfalls eine Nummer zu groà wirkenden Jackettjacke Falten warf: Wenn dieser Mann Eindruck machen wollte, dann schaffte er es auch.
«Naujocks war einer der gesuchtesten Spione im Deutschen Reich. Das wollten wir auch drinhaben, Gesichter und Geschichten, die dem Krieg ein Gesicht geben. Leider können wir die Spionagestory nicht bringen, das kommt dramaturgisch nicht hin. Aber zurück zum Film.
Eben, jedenfalls machen wir das mit Schnitt, Gegenschnitt und Ãberblenden, alles soll so rasant ins Rollen kommen, die ganze Militärmaschine des Dritten Reichs.
Hitler auf dem Obersalzberg vor der Privatkamera, Ãberblende, ein Raum voller NazigröÃen, Close-up, man sieht den Mund Hitlers, übergroÃ, Speichelfäden, das Gelb seiner Zähne, dann hört man das Gebrüll, kann aber die Worte zunächst nicht verstehen, kriegt in der Halbtotalen seinen immer wieder herabsausenden Arm, als würde er mit Karateschlägen Holzscheite spalten: â¹Unsere Feinde sind kleine Würmchen! Ich habe sie in München gesehen.⺠Dann Göring, wie er mit kurzen Hosen, Schaftstiefeln und seiner grünen Fantasieuniformjacke mit dem Dolch und der roten Schärpe vor den Führer in seinem üblichen Nazibraun springt: â¹Mein Führer, die deutschen Waffen sind bereit.âºÂ»
Gegen seinen Willen war der Interviewer von den Verkörperungen, die der alte Mann ihm hier aus seinem Rollstuhl heraus vorspielte, gefesselt. Er sah das alles vor sich, sah die Lippen des Produzenten, zwischen denen sich ein kleiner dünner Speichelfaden gebildet hatte, der beim Reden immer länger wurde, als würden die Mundränder, die einem viel jüngeren Mann zu gehören schienen, bei jedem Satz ein Stück weiter aneinandergenäht.
«Ein kurzer Imbiss auf der Terrasse. Unruhe unter den Generälen. Sie sind nicht bereit. Hitler erhebt sich noch einmal: â¹Kein Zurückweichen. Der Friede tut uns nicht gut. Polen muss ausradiert werden. Keine Gnade. VerschlieÃteuer Herz. Handelt mit äuÃerster Brutalität.⺠Das muss kommen wie die
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