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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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Zersetzung eines Stück Fleisches durch Säure im Zeitraffer.
    Heydrich schreit in Oppeln: ‹Der Führer braucht einen Kriegsgrund!›, und sein Meisterstück soll es sein, der Welt einwandfrei zu beweisen, dass Polen diesen Krieg begonnen hat.
    Da läuft es mir immer den Rücken hinunter. Wenn ich bedenke, dass mein Vater hätte dabei gewesen sein können, mit seiner Kamera, um die Lüge zu dokumentieren.»
    Der Interviewer hatte gar nicht bemerkt, wie der alte Mann seinen Rollstuhl in Bewegung gesetzt hatte, den knappen Meter Distanz an dem Lichtstrahl zwischen ihnen vorbei zurücklegte, um nun vertraulich, leiser werdend, ihm seine Hand auf den Unterarm zu legen.
    Â«Und danach wird alles inszeniert wie ein Kammerspiel. Wir folgen dem Sonderkommando in die Fechtschule Bernau, wir begleiten das Training der Männer. Wie sie polnische Regeln und Kommandos lernen, man wird sehen, wie sich Naujocks lustig macht über diese Theateruniformen, wie er die polnischen Jacken und vor allem die Mützen nennt. Wir erzählen die Vorgeschichte als rasendes Kaleidoskop. Naujocks mit seinen Mannen am Klavier, sie singen polnische Lieder, lassen sich Bärte und Koteletten wachsen, den Kopf scheren, denn der Kurzhaarschnitt gilt als polnisch.
    Zweifel werden auf gut Deutsch weggesoffen oder -gebrüllt, wir zeigen die Drills an den polnischen Waffen. Und dann kommt der Zeitsprung ins Himmelfahrtskommando.»
    Der Interviewer zog seinen Arm langsam weg, die Berührung war ihm unangenehm. Unangenehm auf eine Art, die er gar nicht benennen konnte, die mit einem tiefen körperlichen Beklemmungsgefühl einherging, so als hätte man ihn eingeschlossen, in der Dunkelheit, mit einem kratzenden Geräusch, einer vielleicht nur eingebildeten Bestie. Und trotzdem war da auch ein Gefühl von Erregung.
    Â«Das wird mein bester Film», flüsterte der alte Mann. Es klang wie «mein letzter Film», fand der Interviewer. Er merkte, wie er zitterte. Hatte Erlenberg Angst? Er, der immer alles geschafft hatte, der aufgestiegen war in den Haifischbecken von Hollywood und selbst zwischen den knochentrockenen Mühlen deutscher Behörden, die Fördermittel vergaben, mit seinen Produktionen so etwas wie Hollywoodcharme ausstrahlte. Hatte er Angst, dass er es diesmal nicht hinbekam, nicht rechtzeitig hinbekam, nicht mehr hinbekam?
    Distanz zum Objekt, wiederholte der Interviewer sein professionelles Mantra, halte Distanz zum Objekt.
    Â«Sehen Sie, jetzt habe ich Ihnen doch fast alles verraten. Sie sind wirklich gut.»
    Der alte Mann nickte ihm zu. Ironisch, freundlich, bewundernd – wie genau hätte der Interviewer nicht sagen können.
    Â«Das Ganze ist natürlich eine internationale Koproduktion. Deutsch-polnisches Casting und ein, zwei amerikanische Stars, das wird was. Wir sind schon dabei, die Kampagne auszuarbeiten. 20 Millionen fürs Marketing, ein Drittel des Budgets. Vielleicht legt ja die deutsche Filmförderung noch nach, deshalb drehen wir Szenen in Potsdam. Wir sind janicht Sony, eher Lionsgate. Wir können uns 200-Millionen-Budgets einfach nicht leisten – eine Produktion mit 35 Millionen schon, aber die Verluste nicht, wenn keiner kommt.»
    Der Interviewer beugte sich vor, sodass er dem forschenden Blick des alten Mannes ausweichen konnte, zog das Mikrofon in seine Richtung, justierte es neu. Der alte Mann fuhr bereits fort, und zögerlich, als wäre es eine Kapitulation, ließ sich der Interviewer wieder ins Polster sinken.
    Â«Wenn ich Ihnen am Ende verrate, wen wir als Regisseur gewonnen haben, müssen Sie mir aber versprechen, dass Sie es nicht weitergeben. So professionell sind Sie doch, es als Zusatzinformation zu behandeln? Es ist noch geheim, wir wollen erst sehen, wie die Medien auf das Material reagieren. Es wird Ridley sein, ja, brillant, nicht? Es gibt zwei Arten von Regisseuren: Die einen filmen das Drehbuch mehr oder weniger ab, die anderen versuchen, für jede Szene ein eigenes Bild zu finden, so wie Fellini. Ridley ist genau wie Fellini. Er analysiert für seine Schauspieler nicht den Film, erzählt ihnen nicht irgendeinen Käse über Psychologie und Bewegung. Das wissen die selber. Er sagt nur: Geht rein, kommt von links, und macht das und das. Und dann sagt er vielleicht noch: Noch mal, und dieses Mal etwas schneller. Schneller und langsamer, das sind die einzigen Anweisungen, die ein guter Regisseur seinen

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