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Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Warte mal. Hast du den großen Colorado-Canon gesehen?«
    »Ja.«
    »Stell dir also diesen Canon tausendfach vergrößert vor. Oder millionenfach. Aus rotem und rosa Gold, fast völlig durchsichtig, sämtliche Schichten, Bergmulden, geologischen Sattel seiner Formation, und das alles schwerelos, fließend, und dich fast wie gesichtslos anlächelnd. Nein, nicht das. Mein Liebes, wir beide, Arder und ich gaben uns redlich Mühe, es irgendwie den anderen zu erzählen, aber daraus ist nichts geworden. Dieser kleine Stein stammt eben von dort… Arder nahm ihn als Glücksbringer mit. Trug ihn immer bei sich. Auch auf Kerenea hat er ihn gehabt. In einer kleinen Schachtel für die Vitamintabletten. Als er zu verwittern anfing, hat er ihn in Watte eingewickelt. Dann - als ich allein zurückkam, fand ich ihn, er lag unter der Koje in seiner Kabine. War ihm wohl herausgefallen. Olaf, scheint mir, dachte, es wäre aus diesem Grunde passiert, traute sich aber nicht, das laut zu sagen, es hätte zu dumm geklungen… Was konnte schon so ein kleiner Stein für einen Zusammenhang mit dem Drähtchen haben, das Arders Radio außer Betrieb setzte?… «
    Inzwischen gab Olaf immer noch kein Lebenszeichen von sich. Meine Unruhe wurde zu Gewissensbissen. Ich befürchtete, er könnte etwas Verrücktes angestellt haben. Er war ja weiterhin allein und das noch mehr, als ich es vorher gewesen war. Ich wollte Eri nicht in unvorhersehbare Dinge hineinziehen, die eine Konsequenz meiner auf eigene Faust unternommenen Suchaktion sein konnten, deshalb entschloß ich mich, vorerst zu Thurber zu fahren. Ich war nicht sicher, ob ich ihn um einen Rat bitten sollte - ich wollte ihn nur sehen. Die Adresse hatte ich von Olaf; Thurber hielt sich im Universitätszentrum Malleolan auf.
    Ich schickte ihm ein Telegramm über meine Ankunft und habe mich zum ersten Mal von Eri getrennt. In den letzten Tagen wurde sie schweigsam und unruhig; ich schrieb es ihrer Sorge um Olaf zu. Ich versprach ihr, nach Möglichkeit schnell wiederzukommen, wahrscheinlich schon in zwei Tagen, und nach dem Gespräch mit Thurber keinerlei weitere Schritte zu unternehmen, ehe ich mich mit ihr ausgesprochen haben würde.
    Eri brachte mich bis Houl, wo ich einen direkten Ulder nahm.
    Die Pazifik-Strände waren schon leer, weil bald die Herbststürme kommen sollten, aus den Ferienorten verschwanden die Mengen buntgekleideter Jugend, und ich war kaum erstaunt, fast der einzige Passagier des Silbergeschosses zu sein. Der Flug in den Wolken, der die Gegend irreal machte, dauerte kaum eine Stunde und endete gegen Abend.
    Die Stadt tauchte aus der aufkommenden Dunkelheit mit mehrfarbigen Feuern auf - die höchsten Bauten, Kelchhäuser, leuchteten im Nebel wie ganz dünne, reglose Flammen, ihre Silhouetten zwischen den weißen Nebelstreifen hatten die Gestalt von Riesenschmetterlingen, durch in der Luft hängende Bogen der höchsten Verkehrsebene verbunden. Die weiteren, niedrigen Straßenetagen bildeten gewundene, sich kreuzende, mehrfarbige Flüsse. Vielleicht lag es am Nebel, vielleicht war es der Einfluß der Glasbauten, jedenfalls schien das Zentrum von dieser Höhe aus eine Masse hochwertigen Schmelzes mit gemeinsamer Maserung, eine mit Juwelen bedeckte Glasinsel zu sein, errichtet in einem Ozean, dessen Spiegelfläche die immer schwächer leuchtenden Stockwerke wiederholte, bis auf die schon kaum sichtbaren, letzten. Als ob vom Untergrund der Stadt ein rubinrot glühendes
    Gerippe durchschiene. Es war schwer zu glauben, daß diese ineinander fließende Palette der Flammen und Farben ganz einfach nur die Wohnstätte einiger Millionen von Menschen war.
    Das Universitätszentrum befand sich außerhalb der Stadt. Erst dort, in einem großen Park auf einer Betonpiste, landete mein Ulder. Von der Stadtnähe zeugte nur ein schwacher Lichtschein, der am Himmel über der schwarzen Wand alter Bäume stand.
    Eine lange Alle e führte mich zum Hauptgebäude, das dunkel, wie ausgestorben dalag.
    Kaum öffnete ich die große Glastür, flammte im Inneren Licht auf. Ich befand mich in einer gewölbten Halle, die mit blaßblauen Intarsien ausgelegt war. Ein System von Durchgängen mit Schail-isolierung brachte mich zu einem langen Gang, der gerade und irgendwie streng war- ich öffnete eine und noch eine andere Tür, aber sämtliche Räume waren leer und schienen längst verlassen zu sein. Über eine gewöhnliche Treppe stieg ich nach oben. Wahrscheinlich gab es irgendwo einen Fahrstuhl, aber ich hatte

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