Transfer
Dieses Zusammentreffen war irgendwie unheimlich. Durch die Dunkelheit hindurch betrachtete ich schmerzlich und fast gierig sein so schrecklich altes Gesicht. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich wollte aus der Tasche eine Zigarette holen und konnte nicht hineingreifen, so zitterten mir die Finger.
»Was ist mit Arder geschehen?« fragte er.
Ich sagte es ihm.
»Und was habt ihr dann gefunden - nichts?«
»Nein. Dort wird nichts wiedergefunden.., wissen Sie.«
»Ich hielt Sie für ihn…«
»Verstehe schon. Die Größe und so weiter…«, sagte ich.
»Ja. Wie alt sind Sie jetzt? Biologisch…«
»Vierzig. «
»Ich konnte ja…«, flüsterte er.
Ich verstand ihn. »Bereuen Sie es nicht«, meinte ich hart. »Bereuen Sie es nicht. Bereuen Sie überhaupt nichts - verstehen Sie?«
Zum ersten Mal richtete er seinen Blick auf mein Gesicht. »Und warum?«
»Weil ich hier nichts zu tun habe«, sagte ich. »Keiner braucht mich. Und auch ich brauche.., niemand.«
Es war, als hörte er mich nicht.
»Wie heißen Sie?«
»Bregg. Hal Bregg.«
»Bregg…«, wiederholte er. »Bregg… nein. Kann mich nicht erinnern. Waren Sie denn dort?«
»Ja. In Apprenous, als Ihr Vater die Korrekturen mitbrachte, die von Geonides im letzten Monat vor dem Start entdeckt worden sind.., es hat sich erwiesen, daß die Refraktionskoeffizienten in den dunklen Staubmassen zu gering waren.., ich weiß nicht, ob Ihnen das etwas sagt?« Unsicher hielt ich inne.
»Doch. Selbstverständlich«, sagte er mit einer besonderen Betonung. »Mein Vater. Ja, natürlich. In Apprenous? Aber was machten Sie denn dort? Wo waren Sie da?«
»In der Gravitationskammer, bei Janssen. Sie sind damals dort
gewesen, Arder brachte Sie dorthin, Sie standen oben, auf der kleinen Brücke, und sahen zu, wie man mir vierzig g gegeben hat.
Als ich herauskletterte, blutete ich aus der Nase… Sie gaben mir Ihr Taschentuch… «
»Ach! Sie sind das gewesen?«
»Ja.«
»Ich hatte den Eindruck, daß der Mann, dort in der Kammer… dunkles Haar hatte.«
»Ja. Meine sind auch nicht hell. Sie sind grau. Nur kann man es jetzt nicht so gut sehen.«
Es kam wieder ein Schweigen, das länger andauerte als vorher.
»Sie sind, selbstverständlich, Professor?« sagte ich, nur um dieses Schweigen zu brechen.
»Gewesen. Jetzt… nichts mehr. Seit dreiundzwanzig Jahren.
Nichts.« Und noch einmal, sehr leise, wiederholte er: »Nichts.«
»Ich habe heute Bücher gekauft…darunter ist auch die Topologie von Roemer. Ist die von Ihnen oder von Ihrem Vater?«
»Von mir. Sind Sie Mathematiker?«
Er sah mich mit neuem Interesse an.
»Nein«, sagte ich. »Aber… ich hatte recht viel Zeit… dort. Jeder tat, was er wollte. Mir hat die Mathematik… geholfen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Wir hatten jede Menge von Mikrofilmen: Belletristik, Romane, alles was man sich nur wünschen konnte. Wissen Sie, daß wir dreihunderttausend Titel mitgenommen haben? Ihr Vater half Arder, den mathematischen Teil zu vervollständigen…«
»Das weiß ich.«
»Anfangs betrachteten wir es als eine Art von… Unterhaltung.
Um die Zeit totzuschlagen. Aber schon nach ein paar Monaten, als die Verbindung mit der Erde vollkommen abbrach und wir so
- scheinbar reglos - den Sternen gegenüberhingen, da, wissen Sie, zu lesen, daß da irgendein Peter nervös eine Zigarette rauchte und qualvoll daran dachte, ob die Lucy wohl kommen würde, und sie dann hereinkam und ihre Handschuhe zerknüllte.., dabei fing man erst zu lachen an, wie ein richtiger Idiot, und später konnte einen die Wut packen. Kurz: später hat nie -mand mehr auch nur einen Roman angerührt.« »Also: die Mathematik?«
»Nein. Jedenfalls nicht gleich. Am Anfang machte ich mich an die Sprachen, wissen Sie, und verzichtete darauf bis zum Schluß
nicht, obwohl ich wußte, daß es fast nutzlos war: wenn ich zurückkehrte, würden sie ja nur noch archaische Dialekte sein.
Aber Gimma und besonders Thurber haben mich zur Physik hingezogen. Meinten, die könnte von Nutzen sein. So machte ich mich daran, zusammen mit Arder und mit Olaf Staave - nur wir drei waren keine Wissenschaftler… «
»Sie hatten aber einen akademischen Grad.«
»Ja- Magister der Informationstheorie der Kosmodromie, und auch das Diplom eines Kerningenieurs hatte ich, das war aber alles rein professionell und nicht theoretisch. Sie wissen doch, wie sich ein Ingenieur in der Mathematik auskennt. Also- die Physik. Aber ich wollte noch etwas - etwas eigenes haben. Und
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