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Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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haben.
    »Sie sollten zu Abend essen, Herr Bregg«, sagte der Roboter vorwurfsvoll, »s onst verlieren Sie Ihre Kräfte. Auch das Lesen bis zum Morgengrauen ist nicht empfehlenswert. Die Aerzte sind sehr schlecht darauf zu sprechen - wissen Sie es?«
    »Schon, aber woher weißt du denn das?« fragte ich.
    »Es ist meine Pflicht, Herr Bregg.«
    Er reichte mir das Tablett.
    »Ich will versuchen, mich zu bessern«, sagte ich.
    »Ich hoffe, daß Sie eine Freundlichkeit, die durchaus keine Aufdringlichkeit bedeuten möchte, nicht mißverstanden haben«, erwiderte er.
    »Ach, wo«, sagte ich. Ich rührte den Kaffee um, spürte, wie die Zuckerteilchen sich unter dem Löffel auflösten, und war auf eine ebenso ruhige wie weitläufige Art erstaunt. Nicht nur, daß ich wirklich auf Erden war, daß ich zurückgekommen bin, nicht allein durch die Erinnerung an die nächtliche Lektüre, die noch in meinem Kopf rumorte und gärte, sondern durch die einfache Tatsa-che, daß ich in einem Bett saß, daß mein Herz schlug - daß ich lebte.
    Zu Ehren dieser Entdeckung wollte ich gerne etwas tun, doch wie üblich kam mir kein vernünftiger Gedanke in den Kopf.
    »Hör mal«, wandte ich mich an den Roboter, »ich habe eine Bitte an dich.«
    »Stets zu Diensten.«
    »Hast du etwas Zeit? Dann spiel mir doch mal wieder dieselbe kleine Melodie wie gestern - ja?«
    »Mit Vergnügen«, antwortete er, und bei den fröhlichen Spieluhrklängen trank ich in drei Schlucken meinen Kaffee. Sobald der Roboter fort war, zog ich mich um und lief zum Schwimmbek-ken.
    Ich weiß wirklich nicht, warum ich stets so in Eile war. Etwas trieb mich, wie ein Vorgefühl, daß diese meine Ruhe recht bald
    -    als unverdient und unwahrscheinlich - ein Ende haben würde. Wie immer führte diese fortdauernde Eile dazu, daß ich, ohne mich nur einmal umzusehen, quer durch den Garten lief und mit ein paar Sätzen oben auf dem Sprungbrett war. Indem ich mich bereits abstieß, sah ich zwei Menschen, die eben hinter dem Haus hervorkamen. Aus wohlverständlichen Gründen konnte ich sie nicht näher betrachten. Ich machte einen Salto - nicht den besten
    -    und tauchte bis auf den Grund unter. Ich machte die Augen auf. Das Wasser war wie ein zitternder Kristall, grün, die Schatten der Wellen tanzten auf dem von der Sonne beschienenen Grund.
    Ich schwamm unter Wasser zu der kleinen Treppe, und als ich aus dem Wasser auftauchte, war im Garten niemand mehr. Doch meine wohltrainierten Augen hatten im Flug das in einem Sekundenbruchteil verkehrt erblickte Bild eines Mannes und einer Frau festgehalten. So hatte ich wohl schon Nachbarn. Ich überlegte, ob ich noch einmal das Becken durchqueren sollte, aber Starck siegte. Die Einleitung dieses Buches - er sprach darin von den Flügen zu den Sternen, die er einen Jugendfehler nannte - hatte mich so geärgert, daß ich drauf und dran war, es zu schließen und niemals mehr in die Hand zu nehmen. Ich konnte mich aber überwinden. Ich ging nach oben, zog mich um, beim Hinuntergehen sah ich auf dem Tisch in der Halle eine Terrine voller blaßrosa Früchte, die ein wenig an Birnen erinnerten, stopfte damit die Taschen meiner Gartenhose voll, fand ein abgelegenes, von drei Seiten mit Gartenhecken umzäuntes Plätzchen, stieg auf einen
    alten Apfelbaum, suchte eine meinem Gewicht entsprechende Gabelung der Zweige und fing dort das Studium dieser Grabrede auf das Werk meines Lebens an.
    Nach einer Stunde war ich meiner nicht mehr so sicher. Denn Starck benutzte solche Argumente, die man schwer widerlegen konnte. Er stützte sich auf die knappen Daten, die von den erste.n zwei Expeditionen stammten, die der unseren vorangingen; wir nannten sie »Stichproben«; denn es waren nur Sondenproben auf die Entfernung einiger Lichtjahre. Starck stellte statistische Tafeln der wahrscheinlichen Streuung, anders gesagt der »Bevölkerungsdichte«, der ganzen Galaxis zusammen. Die Wahrscheinlichkeit des Antreffens vernünftiger Wesen schätzte er effektiv auf eins zu zwanzig. Mit anderen Worten: pro zwanzig Expeditionen- in den Grenzen von eintausend Lichtjahren- hatte nur eine die Chance, einen bewohnten Planeten zu entdecken. Dieses Ergebnis aber - obwohl es eher seltsam klang - hielt Starck für ziemlich interessant; der Plan kosmischer Kontakte zerfiel in seiner Analyse erst in dem weiteren Teil dieser Ausführungen.
    Ich war ziemlich aufgebracht, als ich las, was der mir unbekannte Verfasser über Expeditionen wie die unsere schrieb - das

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