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Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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festhaltend, und ich stand ihr gegenüber, nackt, wassertriefend, im schwarzen Slip von Olaf, mit einem sandverkrusteten Bademantel in der Hand - und starrte sie an…
    Plötzlich mußte ich gerade wegen all dieser Dinge lächeln. Ich schüttelte meinen Bademantel, zog ihn an und setzte mich. An der Stelle, wo ich vorher stand, bemerkte ich zwei feuchte Flecke. Aber ich hatte absolut nichts zu sagen. Was konnte ich schon sagen? Auf einmal wußte ich es. Es war wie eine Inspiration. »Wissen Sie, wer ich bin?«
    »Ja.«
    »So? Na schön. Vom Reisebüro?«
    »Nein.«
    »Auch egal. Ich bin - ein Wilder - wissen Sie das?«
    »So?«
    »Ja. Schrecklich wild. Wie heißen Sie?«
    »Wissen Sie es denn nicht?«
    »Ihr Vorname.«
    »Eri.«
    »Ich nehme dich fort von hier.«
    »Was?«
    »Ja. Ich nehme dich von hier fort. Willst du?«
    »Nein.«
    »Das schadet nichts. Ich nehme dich mit. Weißt du, warum?« »Ungefähr.«
    »Nein, du weißt es nicht. Ich weiß es selber nicht.«
    Sie schwieg.
    »Ich kann mir nicht helfen«, sprach ich weiter. »Es ist eigentlich geschehen, als ich dich sah. Vorgestern. Am Mittagstisch. Weißt du?«
    »Ich weiß.«
    »Warte. Du meinst vielleicht, daß ich scherze?«
    »Nein.«
    »Woher kannst du… ach, egal. Wirst du versuchen zu fliehen?«
    Sie schwieg.
    »Tu das nicht«, bat ich. »Es wird dir nichts nützen, weißt du. Ich lasse dich sowieso nicht in Ruhe. Obwohl ich es gerne möchte, glaubst du das?« Sie schwieg.
    »Siehst du, es liegt nicht nur daran, daß ich nicht betrisiert bin. Mir liegt an gar nichts mehr, weißt du. An nichts. Außer dir. Ich muß dich sehen. Muß dich ansehen können. Muß deine Stimme hören. Ich muß es, etwas anderes interessiert mich nicht mehr. Nichts. Ich weiß noch nicht, was mit uns werden wird. Mir scheint, daß dies ein schlechtes Ende haben kann. Aber das ist mir egal. Denn nun lohnt es sich schon. Weil ich es laut sage und du es hörst. Verstehst du? Nein. Du kannst es nicht verstehen. Ihr seid eure Schicksalsdramatik losgeworden, um in aller Ruhe zu leben. Ich kann das nicht. Brauche es auch nicht.« Sie schwieg.
    Ich holte Luft.
    »Eri«, sagte ich, »hör doch.., setz dich erst einmal hin.«
    Sie rührte sich nicht.
    »Setz dich doch. Bitte.«
    Nichts.
    »Das kann dir doch nicht schaden. Setz dich.«
    Plötzlich begriff ich. Meine Kiefermuskeln spannten sich.
    »Wenn du nicht willst - warum hast du mich denn ‘reingelassen?«
    Nichts.
    Ich stand auf, nahm sie bei den Schultern. Sie wehrte sich nicht. Ich setzte sie in einen Sessel. Brachte dann den meinen so nahe, daß sich unsere Knie fast berührten.
    »Du kannst machen, was du willst. Aber hör zu. Es ist nicht meine Schuld. Und deine schon ganz bestimmt nicht. Keiner ist schuld. Ich habe es nicht gewollt. Aber es ist nun einmal so. Es ist, siehst du, die Ausgangssituation. Ich weiß, daß ich mich wie ein armer Irrer benehme. Aber ich sage dir auch gleich, warum. Willst du mit mir denn überhaupt nicht mehr sprechen?« »Vielleicht«, sagte sie.
    »Danke schön dafür. Ja. Ich weiß. Ich habe nicht das geringste Recht und so weiter. Also - was ich sagen wollte: - vor Millionen von Jahren gab es solche Eidechsen, Brontosaurier, Atlantosau-rier… Hast du vielleicht davon gehört?« »Ja.«
    »Haushohe Riesen waren das. Sie hatten einen unheimlich langen Schwanz, der dreimal so lang wie ihr ganzer Körper war. Konnten sich wohl deshalb nicht so, wie sie vielleicht gewollt hätten, bewegen- leicht und geschickt. Ich bin ihnen irgendwie ähnlich, weißt du. Zehn Jahre lang, weiß der Kuckuck wozu, trieb ich mich zwischen den Sternen herum. Vielleicht war es gar nicht nötig. Aber nun läßt sich das nicht ändern. Nachholen geht nicht mehr. Und das belastet mich eben. Verstehst du? Ich kann mich nicht so benehmen, als ob es das nie gegeben hätte. Ich glaube kaum, daß du davon entzückt sein könntest. Darüber, was ich dir sage, sagte und noch sagen werde. Aber einen Rat kann ich da nicht finden. Ich muß dich haben, solange es nur geht, und das ist eigentlich alles. Sagst du mir jetzt etwas?«
    Sie sah mich an. Sie schien mir noch etwas blasser geworden zu sein, aber es mochte am Licht liegen. Sie saß, in ihren flaumigen Mantel eingekuschelt, als ob sie fröre. Ich wollte fragen, ob ihr kalt war, konnte aber wieder kein Wort hervorbringen. Mir - o nein - mir war nicht kalt.
    »Was… hätten Sie… an meiner Stelle getan?«
    »Sehr gut!« lobte ich sie. »Ich glaube, daß ich kämpfen würde.«

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