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Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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»Ich kann nicht.«
    »Das weiß ich. Glaubst du, daß mir das die Sache leichter macht? Das Gegenteil ist der Fall, das schwöre ich dir. Willst du, daß ich jetzt gehe, oder darf ich noch etwas sagen? Warum siehst du mich so an? Nun weißt du doch wohl, daß ich für dich alles tun werde, nicht wahr? Bitte, sieh mich nicht so an. In meinem Mund bedeutet >alles< etwas völlig anderes als bei anderen Leuten. Und weißt du was?«
    Ich fühlte mich außer Atem, als ob ich lange gelaufen wäre. Ich hielt ihre beiden Hände - wie lange, weiß ich nicht -, vielleicht von Anfang an? Ich weiß nicht. Sie waren so zierlich.
    »Eri, weißt du, nie habe ich so etwas wie jetzt gespürt. Denk bloß. Diese schreckliche Leere - dort. Nicht zu beschreiben. Ich glaubte nicht an meine Rückkehr. Keiner glaubte es. Wir sprachen zwar darüber, aber nur so. Sie sind dort geblieben, Tore, Arne, Venturi, und sie sind jetzt wie die Steine, solche eingefrorenen Steine in der Finsternis - weißt du. Und ich hätte auch dort bleiben sollen, aber wenn ich schon hier bin und deine Hände halte und zu dir sprechen darf und du mich hörst, so ist es vielleicht nicht so schlimm. So gemein. Vielleicht nicht - Eri! Sieh mich nur nicht so an. Ich beschwöre dich. Gib mir eine Chance.
    Denke ja nicht, daß es nur- Liebe ist. Denk nicht so. Es ist mehr. Mehr. Du glaubst mir nicht.., warum glaubst du mir nicht? Ich sage doch die Wahrheit. Wirklich.«
    Sie schwieg. Ihre Hände waren eiskalt.
    »Du kannst nicht, wie? Es ist nicht möglich. Ja, ich weiß, daß es nicht möglich ist. Wußte es vom ersten Augenblick an. Ich dürfte nicht hier sein. Eine leere Stelle sollte jetzt hier sein. Ich gehöre dorthin. Es ist aber nicht meine Schuld, daß ich zurückgekehrt bin. Ja. Ich weiß nicht, warum ich dir das alles erzähle. Das gibt es nicht. Was gibt es nicht? Egal, wenn dich das nichts angeht. Du dachtest wohl, ich könnte mit dir alles machen, was ich will? Mir liegt aber nichts daran, verstehst du? Du bist ja kein Stern…«
    Stille. Das ganze Haus schwieg. Ich neigte den Kopf zu ihren Händen, die wie gelähmt auf den meinen lagen, und fing an, zu ihnen zu sprechen.
    »Eri, Eri. Jetzt weißt du, daß du keine Angst zu haben brauchst, nicht wahr? Du weißt, daü dir keine Gefahr droht. Aber das ist so - groß, Eri. Ich wußte nicht mal, daß es so etwas geben kann. Wußte es nicht. Ich schwöre es dir. Warum fliegen sie denn zu den Sternen? Ich kann es nicht verstehen. Dies ist doch hier. Oder muß man vielleicht erst dort gewesen sein, um es zu verstehen?
    Ja, schon möglich. Nun will ich gehen, ich gehe schon. Und du wirst alles vergessen. Wirst du es vergessen?« Sie nickte.
    »Wirst du es auch keinem sagen?«
    Sie verneinte mit dem Kopf.
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    Es war nur ein Flüstern.
    »Ich danke dir.«
    Ich ging hinaus. Die Treppe. Eine cremefarbene, dann eine grüne Wand. Die Tür meines Zimmers. Ich machte weit das Fenster auf, atmete tief. Wie gut die Luft war. Seit ich aus ihrem Zimmer kam, war ich völlig ruhig. Ich lächelte sogar, aber weder mit dem Gesicht, noch mit den Lippen. Dieses Lächeln hatte ich in mir, nachsichtig meiner eigenen Dummheit gegenüber, auch der Tatsache, daß ich nichts wußte und es doch so einfach gewesen war. Gebückt wühlte ich im Innern meines Sportkoffers. Unter den Stricken? Nein. Irgendwelche Päckchen, was denn, nein, nicht das, Moment mal…
    Nun hatte ich ihn. Ich streckte mich wieder und fühlte mich plötzlich beschämt. Die Lichter. Nein, so konnte ich es nicht. Ich ging eben, um sie zu löschen, als Olaf auf die Schwelle trat. Er war noch nicht ausgezogen. War er denn überhaupt nicht ins Bett gegangen?
    »Was machst du denn da?«
    »Nichts.«
    »So? Und was hast du da? Versteck es nur nicht!«
    »Nichts… «
    »Zeig her!«
    »Nein.«
    »Wußte ich’s doch. Du Scheißkerl!«
    Diesen Schlag hatte ich nicht erwartet. Ich öffnete die Finger, der Griff rutschte mir aus der Hand, und wir beide kämpften bereits, ich warf mich über ihn, er sprang über mich, der Schreibtisch fiel um, die mitgezogene Lampe krachte gegen die Wand, daß das ganze Haus aufdröhnte. Nun hatte ich ihn erwischt. Er konnte sich nicht mehr befreien, wand sich nur, ich hörte einen Schrei, ihren Schrei, ließ ihn los, sprang nach rückwärts.
    Sie stand in der Tür.
    Olaf kam auf die Knie.
    »Töten wollte er sich. Deinetwegen!« röchelte er. Er faßte sich mit beiden Händen an den Hals. Ich wandte mein Gesicht ab.

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