Transsibirien Express
Abteil drei ein Geologe Klaschkas Körper durchforscht hatte und nun zufrieden und satt schnarchte. »So etwas wie Sie sieht man selten. Aber die Genossen von Intourist schirmen Sie ab, als seien Sie aus Gold. Ein echter, frei herumlaufender Deutscher im Transsib, das ist schon ein Edelstein für uns. Warum gefalle ich Ihnen nicht? Hören Sie doch nicht auf Karsanow, – das ist ein vertrockneter Mensch, der schon mit Falten zur Welt gekommen ist!«
Forster zögerte.
Dann griff er in die Tasche, holte eine Packung Zigaretten heraus und hielt sie Klaschka hin. Es waren amerikanische Zigaretten, und Klaschkas umschminkte Augen begannen zu glänzen. Ihr bemaltes Gesicht unter den grellroten Haaren bekam etwas Kindliches.
»Amerikansky!« sagte sie und schnalzte mit der Zunge. »Ich darf eine rauchen?«
»Bitte.«
Sie rauchte die halbe Zigarette schweigend und mit tiefen Lungenzügen. Ihr Gesicht verriet die vollste Seligkeit. Sie genoß diese Zigarette offensichtlich mehr als jeden Mann. Das war wirklich ein Genuß, das andere war Geschäft.
Forster beobachtete sie.
Kann man es wagen? dachte er. Sie ist eine Frau und hat Herz … mehr braucht man eigentlich nicht, um dieses Geheimnis zu besprechen.
»Komm mit«, sagte Klaschka, als sie die zweite Hälfte der Zigarette rauchte, diesmal langsamer, jeden verbrennenden Millimeter ausnutzend, »du bist ein guter Mensch. Und von guten Menschen nehme ich kein Geld.«
Mit ihren dunklen umrandeten Augen sah sie Forster beinahe traurig an. Es war eine Klaschka, zu der dieses Kleid und diese Schminke nicht paßten.
»Gute Menschen sind selten, germanski. Das Leben ist doch wie eine Latrine – die einen sitzen oben drauf, und die anderen kauern unten und bekommen alles ab. Ich war immer unten. Vierzehnmal haben sie mich eingesperrt, und ich tue den Männern doch nichts Schlechtes. Jetzt wird mich dieser Karsanow zum fünfzehnten Mal einsperren lassen, in Wladiwostok, wie mir Boris Fedorowitsch verraten hat. Aber ich werde ihm ein Schnippchen schlagen! In Chabarowsk steige ich aus und fahre mit dem nächsten Transsib nach Moskau zurück. Ha, wie wird er toben, der saubere Genosse! Komm, mein Liebling …«
Sie nahm Forsters Hand, aber er stemmte sich gegen die Wand und blieb stehen.
»Klaschka«, sagte er langsam und vorsichtig, und seine Zunge war merkwürdig schwer. »Sie vertrauen mir … Kann ich Ihnen auch vertrauen?«
»Wie einem taubstummen Blinden!«
»Ich suche jemanden …«
»Hier im Zug?«
»Ja.«
»Wieso? Ist er verschwunden?«
»Das ist eine merkwürdige Geschichte, Klaschka.«
Er wartete, bis sie die amerikanische Zigarette in einem der Gangaschenbecher ausgedrückt hatte. Dann nahm er die Packung und stopfte sie ihr in die Bluse zwischen die prallen Brüste.
Klaschka lachte leise. Sie strahlte Forster an und legte beide Hände auf ihre Brust. In diesem Augenblick sah sie wirklich schön aus, ein frohes, kokettes Mädchen, das mit ihren Haaren in einen roten Farbtopf gefallen ist.
»Danke. Wie heißt du?«
»Werner Antonowitsch«, antwortete Forster.
»Ein schöner Name. Ich mag dich, Werner Antonowitsch. Das ist jetzt keine geschäftliche Feststellung …«
»Ich weiß, Klaschka. Ich suche ein Mädchen …«
Der Glanz in ihren Augen erlosch, wie man einen Scheinwerfer ausdreht.
»Du hast mir versprochen, ich könne dir vertrauen«, sagte Forster schnell.
»Wer ist sie?« fragte Klaschka.
»Ich weiß es nicht. Darum suche ich sie ja. Sie muß in diesem Zug sein, irgendwo, wo ich sie noch nicht entdeckt habe. Ein Mädchen in einem Stepprock und einer wattierten Jacke aus grauem ungebleichtem Leinen, mit einem Kopftuch, das bis zur Schulter reicht, in Wollstrümpfen und derben Bauernstiefeln. Ein schmales Mädchen, dem diese Kleidung viel zu groß ist.«
»Haben wir nicht im Zug, Werner Antonowitsch.«
Klaschka kannte jeden Wagen, jedes Abteil, so wie jeder im Zug bereits sie kannte und freundlich grüßte.
Warum soll man zu einem Hürchen nicht höflich sein, Genossen? Die einen spielen Schach, die anderen Karten, und auch Klaschka vertrieb einem die lange Zeit. Ein braves Weibchen, – nur Heuchler halten demonstrativ ihre Hose fest …
»Sie muß im Zug sein! Sie ist in Swerdlowsk aufgesprungen, als wir abfuhren!«
»Dann hat sie keine Karte?«
»Ich nehme es an. Jedenfalls hatte sie kein Gepäck.«
»Sie muß ein raffiniertes Ding sein, wenn Mulanow sie noch nicht entdeckt hat«, meinte Klaschka anerkennend. »Laß uns nachdenken,
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