Trapez
Tommy seit seiner Kindheit kannte.
Er bedeutete, dass sein Vater es ganz genau wu ss te, es aber nicht vor Tommy diskutieren würde. »Egal, sie sind hier, und es ist Tommys Glück; er könnte bei niemand Besserem lernen. Und es sind anständige Leute, Beth. Eine Familie. Alte Zirkusleute. Tommy wird dort sehr gut aufgehoben sein. Beruhig dich, Beth. La ss dem Jungen seinen Spaß .«
Und so begann es. Zuerst eher zufällig. Ein paar Minuten jedes Mal . Nur Mario beachtete Tommy. Papa Tony schien nicht zu wissen, dass es Tommy überhaupt gab –das dachte Tommy damals jedenfalls –, und Tommy gefiel es so ganz gut. Antonio Santelli konnte kräftig brüllen und brauste sehr leicht auf. Er machte gar keinen Unterschied zwischen seiner Familie und Außenstehenden . Angelo war nett und freundlich, aber für ihn war Tommy nur eins der Kinder aus der Show. Außerhalb seiner wenigen Unterrichtsminuten bedeutete es stundenlange harte, gewissenhafte Gymnastik; Übungen am Barren, den sein Vater für ihn aufgebaut hatte; stundenlanges Wiederholen von einfachen Vorund Rückwärtsschwüngen, die Fähigkeit, seinen Körper in jeder Lage zu beherrschen, Umdrehen und Handwechseln in jedem Moment eines Schwungs, ins Sicherheitsnetz fallen ohne sich zu verletzen. Schließlich wurde aus den zufälligen paar Minuten drei-, viermal die Woche eine tägliche Übung.
Sobald das normale Morgentraining der Santellis vorbei war, wenn Papa Tony und Angelo ihre Pullover angezogen hatten und gegangen waren, gab Mario Tommy ein Zeichen, und er kletterte hinauf und übte die Nummern, die Mario ihm erlaubt hatte.
Bald konnte er es kaum abwarten, wirklich zu fliegen.
An einem einfachen Trapez hin und her zu schwingen, abwechselnd mit Fällen ins Netz und einigen Überund Aufschwüngen an der Stange, war wirklich nicht viel anders, als auf einer Luftleiter drei Meter über dem Boden herumzuturnen. Aber als er Mario seine Ungeduld merken ließ , wurde er barsch zurückgewiesen. »Nicht bis ich glaube, dass du gut genug bist, um soweit zu sein. Ich habe dir gesagt, du sollst nicht zu ungeduldig sein.«
Aber es war nur etwa eine Woche später – irgendwo in Arkansas; Tommy konnte sich nie an den Namen der Stadt erinnern –, als er morgens in die Manege kam und Angelo noch auf dem Trapez war. Tommy zögerte, aber Mario gab ihm ein Zeichen, schon heraufzukommen.
Dann sagte er: »Tom, schau genau zu.« Er schwang sich an der Stange heraus, klappte nach oben bis er wie auf einer Schaukel saß , rutschte dann zurück, hielt sich mit den Händen fest und stützte sich mit den Knöcheln ab –alles Dinge, die er Tommy beigebracht hatte.
Dann, als Angelo den höchsten Punkt seines Schwungs erreicht hatte, ließ Mario die Stange los und fiel ihm entgegen. Er fing seine Handgelenke mit müheloser Leichtigkeit. Sie schwangen für eine Weile zusammen, mit verschränkten Handgelenken. Als Mario zur Plattform zurückkehrte, sagte er: »Glaubst du, du kannst das schaffen?«
Große Aufregung flackerte in Tommy auf.
»Kann ich wirklich?«
»Das wollen wir jetzt mal sehen. Früher oder später erstarrst du noch an der Stange, wenn wir dich nicht dazu bringen, loszulassen.«
Angelo tauchte ins Netz. Tommy stieß einen leisen Ton aus Protest und Enttäuschung aus und Mario sagte: »Es ist okay, ich fange dich. Glaubst du, ich verschwende Angelos Zeit für dich?«
»Du bist auch ein Fänger?«
»Manchmal. Papa Tony besteht immer darauf, dass jeder alles können mu ss . Ich habe als Fänger angefangen und mein kleiner Bruder Johnny als Flieger, weil ich grö ss er war als er; er wollte allerdings lieber fangen, und ich wollte fliegen. Also haben wir getauscht.«
»Ich wu ss te nicht, dass du einen Bruder hast.«
»Ich habe zwei, Zwillinge.«
»Wie heißen sie?«
»John und Mark. Und ich habe eine Schwester, Liss.«
»Wieso sind sie nicht bei der Truppe?«
»Mark hat nie fliegen gelernt, Johnny hat aufgehört und ist mit einer eigenen Truppe weggegangen vor zwei, drei Jahren, und Liss hat geheiratet. Willst du fliegen oder rumstehen und quatschen?«
»Entschuldigung! Ich wollte keine Zeit verschwenden.«
»Vergi ss es! Es ist o.k.« Mario ließ sich ins Netz fallen, kletterte am Seil am anderen Ende hinauf, und als er sich ins Fängertrapez hochzog, lächelte er wieder.
»Okay, los. Du weißt ja, wenn ich rufe, lä ss t du nur los und fliegst auf mich zu. Nicht greifen, streck nur deine Hände aus, und ich fange dich. Du wirst wahrscheinlich
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