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Traumfänger

Traumfänger

Titel: Traumfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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ließen.
    Der Klang war unglaublich und konnte mit sämtlichen Orgeln, die ich in den Kathedralen dieser Welt gehört hatte, mithalten. Sie musizierten auch auf Tonpfeifen und kurzen Holzinstrumenten, die ähnlich wie unsere Flöten klangen. Jetzt wußte ich, daß sie mich endgültig akzeptiert und aufgenommen hatten. Ich hatte die Prüfungen, die sie mir auferlegt hatten, bestanden, ohne überhaupt zu wissen, daß und wozu ich geprüft wurde. Als ich da in ihrer Mitte stand, ihren Liedern, die sie für mich sangen, und dem reinen Klang ihrer uralten Musik lauschte, war ich zutiefst bewegt. Am nächsten Morgen verließ nur ein Teil der ursprünglichen Gruppe den geheimen Ort, um mich auf unserer weiteren Reise zu begleiten. Wohin sollte es gehen? Ich wußte es nicht.

26 • Glücklicher Nichtgeburtstag
    Während unserer Reise feierten wir zweimal ein Fest zu Ehren des besonderen Talents eines Stammesmitglieds. Für jeden in der Gruppe wird irgendwann einmal ein eigenes Fest gefeiert, aber es hat nichts mit dem Alter oder Geburtsdatum dieser Person zu tun.
    Sie glauben, Sinn der verstreichenden Zeit sei es, einen Menschen besser und weiser werden zu lassen, so daß er sein eigenes Selbst immer deutlicher zum Ausdruck bringen kann. Wenn man selbst der Meinung ist - und wer sonst könnte es so genau wissen -, in dem vergangenen Jahr ein besserer Mensch geworden zu sein, lädt man zu einem Fest ein. Alle anderen werden es respektieren, wenn man selbst soweit zu sein glaubt. Eine der Feiern fand für eine Frau statt, deren Talent - oder auch Medizin - im Leben das Zuhören war. Ihr Name lautete Geheimnisbewahrerin. Egal, worüber man sprechen wollte, ob man sich nun etwas von der Seele reden, etwas beichten oder einfach nur erzählen wollte, man konnte sie immer ansprechen. Die Geheimnisbewahrerin betrachtete diese Gespräche als etwas sehr Persönliches. Sie gab eigentlich keine richtigen Ratschläge, und sie urteilte auch nicht; sie hielt einfach nur die Hand oder den Kopf ihres Gesprächspartners in ihrem Schoß und hörte zu. Dabei schien sie die Menschen zu ermutigen, selbst eine Lösung für ihre Probleme zu finden, indem sie ihren Herzen folgten.
    Ich mußte an die Menschen zu Hause in Amerika denken: an die vielen jungen Leute, denen jeder Sinn im Leben abhanden gekommen war; an die Obdachlosen, die glaubten, keinen sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft mehr leisten zu können; und an all die Drogensüchtigen, die nur noch in einer anderen Realität als der unseren leben wollten. Am liebsten hätte ich sie alle hierhergebracht, um ihnen zu zeigen, mit wie wenig man manchmal zum Wohl einer Gemeinschaft beitragen kann. Dann würden sie auch erkennen, wie wunderbar es ist, wenn man mit Sicherheit weiß, daß man ein wertvoller Mensch ist.
    Genau wie alle anderen in der Gruppe war sich diese Frau ihrer Verdienste durchaus bewußt. Bei dem Fest nahm sie einen leicht erhöhten Ehrenplatz ein. Sie hatte das Universum darum gebeten, für diesen Tag ein Essen in besonders leuchtenden Farben bereitzustellen. Ihre Bitte wurde erfüllt, denn an diesem Abend wanderten wir durch eine Gegend mit Pflanzen, an denen Beeren und Trauben wuchsen.
    Schon vor Tagen hatten wir in der Ferne einen Regenschauer beobachtet, und in den Pfützen, die er hinterlassen hatte, schwammen jetzt unzählige Kaulquappen. Sie wurden auf heißen Steinen getrocknet und so zu einer weiteren Mahlzeit, die ich mir nie erträumt hätte. Auf unserem Festtagsmenü stand außerdem noch eine eher unansehnliche Kreatur, deren Lebensraurn der Schlamm war.
    Auch zu diesem Fest gab es Musik. Ich brachte den »Wahren Menschen« einen texanischen Tanz bei, den »Cotton-Eyed Joe«, den wir ihrem Trommelrhythmus anpaßten. Bald hörte man überall Gelächter. Dann erklärte ich ihnen, daß die »Veränderten« gern mit Partnern tanzten und forderte den Königlichen Schwarzen Schwan auf. Sofort begriff er den Walzerschritt, nur mit dem Rhythmus hatten wir Probleme.
    Also begann ich die Melodie zu summen und ermunterte alle, mich dabei zu unterstützen. Bald summte die ganze Gruppe, und wir drehten uns im Walzerschritt unter dem weiten australischen Himmel. Als nächstes brachte ich ihnen den Square Dance bei, wobei sich Ooota besonders hervortat. An diesem Abend kamen sie zu der Einsicht, daß ich die Kunst des Heilens in meiner Gesellschaft vielleicht schon so perfekt beherrschte, daß ich mich ganz der Musik zuwenden sollte! Sie gaben mir einen Spitznamen, was zwar

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