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Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen

Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen

Titel: Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Dahlquist
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ließ Chang keine andere Möglichkeit, als zu stehen. Sie fuhren los, und Chang balancierte wie ein Seemann auf einem schwankenden Deck. Er blickte zu Foison, der sich auf einer Bank an der Innenwand lümmelte.
    »Das Glasstück, das Phelps getötet hat«, sagte Chang. »Es war nicht wie die, die wir in Raaxfall gefunden haben. Es enthielt keinen Zorn, sondern eher etwas wie Verzweiflung. Er ist schon einmal damit geschnitten worden, beim Verhör, nicht wahr? Nur kleine Ritzer, um ihm auf die Sprünge zu helfen. Der Mann war fertig.«
    Foison wartete, als würden die Worte keines Kommentars bedürfen.
    »Blaues Glas im Hals. Das hat Lydia Vandaariff getötet. Sie wurde enthauptet. Wussten Sie das?«
    Foison packte einen Metallgriff, um sich abzustützen, als die Kutsche um eine Ecke bog. »Ja, das wurde Lord Robert so mitgeteilt.«
    »Von wem?«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Nur fünf Personen haben den Absturz überlebt. Francis Xonck ist inzwischen gestorben. Wenn einer der vier – ich eingeschlossen – die Szene Ihrem Herrn beschrieben hätte, dann wüssten Sie es. Ich wette, man hat es nicht getan, und trotzdem weiß er es. Wie ist das möglich? Weil diese Erinnerungen – Erinnerungen eines toten Mannes, der auch in diesem Luftschiff war – in seinen Verstand eingepflanzt wurden.«
    Ein Schiebefenster glitt auf, und durch ein Drahtgeflecht war Vandaariffs hageres Gesicht zu sehen.
    »Was für ein interessantes Gespräch, Kardinal. Man fühlt sich an diese Griechen erinnert, die danach trachten, die Welt zu verstehen – alles falsch, natürlich, die Logik von intelligenten Kindern, die in der Küche ihrer Mütter herumsuchen und sich in der Hoffnung auf ein Butterbrot auf die Zehenspitzen stellen. Sie beobachten – natürlich tun Sie das, Sie sind ein Jäger –, aber verstehen Sie auch?«
    »Ich weiß, dass Sie sterben werden.«
    »Aber nicht allein, Kardinal Chang. Lassen Sie sich von den Neuigkeiten nicht entmutigen.«
    Vandaariff wandte sich vom Schiebefenster ab, ließ es jedoch offen. Er nahm sein heiseres Brummen wieder auf.
    Liebe ist Trennung, so sicher wie durch’s Schwert,
Fleisch ist eine Tafel, Gottes Festmahl wert.
    Das Fahrzeug bog ein zweites Mal ab, und der Stahlhaken grub sich in Changs Handgelenk. Foison beobachtete ihn mit einer tiefsitzenden Entschlossenheit, und in der Haltung des Mannes erkannte Chang sich selbst: im Old Palace, nur geduldet und auf eine Nachricht von Madeleine Kraft wartend – sein Zeichen zu gehen. Seine Augen waren die ganze Zeit auf Angelique gerichtet gewesen, strahlend zwischen all den wohlhabenden Männern, die jeden Augenblick dem Hausdirektor, Gorine, ein Zeichen geben und sie so lange in Anspruch nehmen konnten, wie es sie gelüstete. Chang betrachtete sie, aber was hatte er je gesehen? Winzige Hände, die ein Weinglas hielten? Lächelnde Lippen. Dunkle Augen. Bruchstücke der Person, die sie wirklich gewesen sein mochte.
    Selbst nach so langer Zeit, so vielen Leben, bewahrte Chang Angelique in seinem Herzen, jedoch nur – und das wusste er – wie eine Puppe, einen Traum. Was hatte das ganze Sehnen gebracht? Verdiente er es zu überleben? Hatte er schlechte Männer bestraft? Natürlich. Hatte er das auch innerhalb seines eigenen verruchten Umfelds getan? Unbestreitbar. Wer verschonte einen Fuchs, den Hühnerdieb, weil er sich auch bei Ratten bediente?
    Das war geschwätzig und selbstmitleidig. Chang sah erneut Foison an – seine eigene sinnlose Vergangenheit – und erhaschte einen flüchtigen Blick auf das, was er jetzt verlieren könnte.
    Sie war nicht schön, nicht wie Angelique. Sie war nicht freundlich. Sie war zweifellos – im Herzen, verdammt sollten die Glasbücher sein – eine unerfahrene prüde Gans. Sie war das verwöhnte Beispiel einer Klasse, die er verachtete. Er wusste ehrlich nicht, ob er ihre Anwesenheit einen ganzen Tag lang ertragen würde. Er wusste nicht, ob sie am Leben war.
    Aber er dachte daran, wie sie in seinen Armen gelegen hatte, als er durch die eiskalte Brandung gewatet war. An ihren Mut in Parchfeldt. Wie sie sie aus Raaxfall herausgelotst, ihr Todesurteil hingenommen hatte. Gegen jeden Instinkt und jede Logik liefen diese Bilder in seinem Kopf ab. Er spürte den Aufruhr in seiner Seele. Es war absurd. Er konnte beschließen, ihn zu unterdrücken – das stand in seiner Macht. Doch er starb ebenfalls. Die Entscheidung lag nicht bei ihm. Er schloss die Augen und ließ los.
    Robert Vandaariff räusperte sich, ein Kutschrad

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