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Traumjaeger und Goldpfote

Traumjaeger und Goldpfote

Titel: Traumjaeger und Goldpfote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Geruch von
M’an
überall war, konnte er niemanden entdecken.
    Gerade war er im Begriff, in die Freiheit zu humpeln, als er ein mächtiges Verlangen verspürte: Hunger. Er witterte Nahrung. Als er seine Blicke durch die Veranda schweifen ließ, entdeckte er einen zweiten, kleineren Behälter. Der Duft der Nahrung ließ das Wasser in seinem Mäulchen zusammenlaufen, doch er näherte sich dem Behälter vorsichtig. Nachdem er seinen Inhalt argwöhnisch beschnüffelt hatte, fraß er zögernd einen Bissen – und fand, dass es sehr gut schmeckte.
    Zuerst ließ er ein Ohr aufgestellt, um die Rückkehr der
M’an
rechtzeitig zu bemerken, doch nach einer Weile überließ er sich völlig der Lust am Essen.
    Er schlang das Essen hinunter, leerte den Behälter bis zum Grund, fand dann einen weiteren, der mit klarem Wasser gefüllt war, und trank. Diese Völlerei im Zustand äußerster Entkräftung machte ihn beinahe krank, doch die Großen, die das vorausgesehen hatten, hatten ihm nur eine bescheidene Menge Futter hingestellt.
    Nachdem er getrunken hatte, wankte er hinaus ins Sonnenlicht,ruhte sich einen Augenblick aus und stand dann auf, um sich auf den Weg zum Wald zu machen. Plötzlich bog einer derer, die ihn gefangen hatten, um die Ecke des riesigen
M’
an
-Nes tes . Fritti wollte ausreißen, aber sein geschwächter Zustand erlaubte es nicht. Doch zu seiner Verwunderung machte der Große weder Anstalten, ihn zu packen, noch ihn zu töten, sondern er ging bloß vorbei, beugte sich nieder, um Traumjägers Kopf zu streicheln, und war dann verschwunden.
    So begann der unbehagliche Waffenstillstand zwischen Fritti Traumjäger und den Großen. Diese
M’an
, in deren Vorhalle er sich wiedergefunden hatte, hinderten ihn niemals, zu gehen und zu kommen, wann er wollte. Sie stellten ihm Futter hinaus, das er fressen konnte, wenn er wollte, und wenn er es wünschte, konnte er in einem Kasten schlafen.
    Nach mancherlei angestrengtem Nachdenken gelangte Fritti zu dem Schluss, dass die Großen möglicherweise dem Volk ein wenig ähnelten: Einige waren gutartig und führten nichts Böses im Schilde, wogegen anderen nicht zu trauen war – und es war die zweite Art gewesen, welche seine Familie und die Stätte seiner Geburt zerstört hatte. Diese Erwägung brachte Fritti eine Art von Frieden. Die Erinnerung an das, was er verloren hatte, begann in den Stunden des Wachens von ihm zu weichen – wenn auch nicht in seinen Träumen.
    Als er gesünder wurde, machte es Fritti wieder Spaß, mit dem Volk zusammen zu sein. Er fand auch Goldpfote, unverändert vom Schnurrbart bis zum Schwanz. Sie bat ihn, ihr zu verzeihen, dass sie ihn während seiner schlimmen Tage in den Wäldern nicht aufgesucht habe. Sie hätte es nicht ertragen können, sagte sie, ihren Spielkameraden in solchem Elend zu sehen.
    Er verzieh ihr, und er tat es mit Freude. Nun, da er seine Kraft zurückgewonnen hatte, tollten sie wieder zusammen über das Land. Alles war so, wie es gewesen war, außer dass Traumjäger ein wenig mehr zur Stille neigte und weniger zum fröhlichen Lärmen.
    Und doch bedeutete die Zeit, die Fritti mit Goldpfote verbrachte, ihm sogar noch mehr als zuvor. Nun sprachen sie hin und wieder über das Ritual, das sie vollziehen würden, wenn für Goldpfote die Zeit ihrer Reife gekommen und Traumjäger ein Jäger geworden war.
    Und so ging ihr Hochsommer dahin, und der Wind begann eine Herbstmusik in den Baumwipfeln zu singen.
     
    In der letzten Nacht vor der Nacht des Treffens erstiegen Fritti und Goldpfote den Berghang, der sich oberhalb der
M’
an
-Be hausungen erhob. Schweigend saßen sie in der Dunkelheit der Tiefsten Stille, während unter ihnen ein Licht nach dem anderen erlosch. Endlich erhob Traumjäger seine junge Stimme zu einem Lied.
    So hoch
    Über den wogenden Baumwipfeln,
    Über dem strömenden Himmel –
    Sagen wir ein Wort.
     
    Seite an Seite,
    Auf dem buckligen Rücken der Welt,
    Jenseits von Sonne und Zeit,
    Hört man diese Stimme …
     
    Wir sind zusammen unterwegs,
    Unsre Schwänze im Wind,
    Wir wandern zusammen,
    Wir sind voller Sonne und warm.
     
    Lange, lange
    Haben wir im Wald getanzt,
    Haben bloß nach vorn geblickt –
    Uns fehlte nur das Wort.
     
    Aber bald
    Werden wir den Sinn begreifen
    Und spüren in Haaren und Knochen –
    Nun, da wir es gehört haben.
    Als Traumjäger aufgehört hatte zu singen, saßen sie die restlichen Stunden der Nacht hindurch still da. Die Morgensonne stieg auf, verjagte die Schatten und störte

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