Traumjaeger und Goldpfote
sie auf, doch als er sich Goldpfote zuwandte, um zum Abschied seine Nase an der ihren zu reiben, und als ihre Barthaare sich dabei berührten, war zwischen ihnen ein wortloses Versprechen.
3. KAPITEL
Sie, die sie bei Tage träumen, haben von vielen Dingen Kenntnis,
die denen verborgen bleiben,
die nur des Nachts träumen.
Edgar Allan Poe
A m Morgen nach dem Treffen erwachte Fritti aus einem sonderbaren Traum, in dem Prinz Neunvögel aus Borstenmauls Erzählung Goldpfote geraubt hatte und, sie in seinem großen Maul tragend, mit ihr davongerannt war. Als Frittis Traum-Ich versucht hatte, sie zu befreien, hatte Neunvögel es gepackt und es mit einem grausamen Ruck gestreckt. Er hatte gespürt, wie seine Traumgestalt sich qualvoll streckte und streckte und dünn und schwebend wurde wie Rauch … Sich am ganzen Leib schüttelnd, als wollte er den schrecklichen Alptraum zertrümmern, kam Fritti auf die Pfoten und machte sich an seine Morgenwäsche. Am ganzen Körper glättete er sein schlafzerzaustes Fell, brachte widerspenstige Barthaare in die rechte Ordnung und beendete seine Toilette mit einem Schnalzer, der seine Schwanzspitze in einen vollkommenen Zustand versetzte. Beim Gang durch das hohe Gras hinter seinem Schlafplatz gelang es ihm nicht, das Gefühl einer bösen Ahnung zu verscheuchen, die sein Traum über den Tag geworfen hatte. Aus einem Grund, den er nicht erraten konnte, schien der Traum bedeutungsvoll zu sein. Er sollte – ja, er konnte – ihn nicht vergessen. Warum? Als er mit der Pfote nach einer baumelnden Löwenzahndolde schlug, die ihm gerade in die Quere kam, fiel es ihm ein: Goldpfote! Sie warnicht auf dem Treffen gewesen. Er musste sich aufmachen und sie suchen, herausfinden, was geschehen war.
Er war ein bisschen weniger besorgt, als er es gestern Nacht gewesen war. Alles in allem, sagte er sich, gab es für ihre Abwesenheit viele mögliche Gründe. Sie wohnte in einer
M’
an
-Sied lung ; sie hatten Goldpfote möglicherweise eingesperrt und sie daran gehindert fortzulaufen. Große waren in dieser Hinsicht launenhaft. Traumjäger ging an den Alten Wäldern entlang und suchte sich seinen Weg durch eine Wiese und ein Wäldchen niedriger Bäume. Es war eine beträchtliche Entfernung bis zu Goldpfotes Behausung, und für den Weg brauchte er einen guten Teil des Morgens. Schließlich kam das
M’an
-Nest in Sicht, das ganz allein in der Abgeschiedenheit der Felder lag, die es umgaben. Es wirkte sonderbar leer, und als er näher kam, konnte er keine Spur vertrauter Gerüche ausmachen.
Er hüpfte dichter heran, rief: »Goldpfote! Hier ist Traumjäger!
Nre’fa-o
, Herzensfreundin!«, doch ihm antwortete nichts als Stille. Er bemerkte, dass der Eingang offen stand, was in den Nestern der
M’an
ungewöhnlich war. Als er das Haus erreichte, streckte er vorsichtig den Kopf hinein und trat dann ein.
Das
M’an
-Nest war nicht nur ohne jedes Leben, es wollte Traumjäger vielmehr scheinen, als sei gar nichts mehr übrig geblieben. Die Fußböden und Wände waren kahl, und selbst die leisen Tritte seiner Pfoten hallten wider, während er von Raum zu Raum ging. Einen schrecklichen Augenblick lang erinnerte ihn diese Leere an das Verschwinden seiner Familie – aber irgendetwas war anders. Es gab keine Gerüche von Schrecken oder Aufregung, keinen Hinweis darauf, dass etwas Ungewöhnliches vorgefallen war. Welchen Grund die
M’an
auch gehabt hatten, ihr Nest zu verlassen, es schien ein natürlicher gewesen zu sein. Wo aber war Goldpfote?
Er durchsuchte das Nest von unten bis oben, doch er fand lediglich leere Räume. Verwundert und verwirrt machte sich Frittiaus dem Staub. Er kam zu dem Schluss, dass Goldpfote fortgelaufen sein musste, als die
M’an
ihr Nest verließen. Vielleicht versteckte sie sich gerade jetzt im Wald und brauchte seine Gesellschaft und Freundschaft!
Den ganzen Nachmittag trieb er sich im Wald herum, lärmend und rufend, doch er konnte keine Spur von seiner Freundin entdecken. Als der Abend kam, ging er Spindelbein um Hilfe an, doch zu zweit hatten sie nicht mehr Glück als Fritti allein. Sie streiften weit umher und fragten jeden aus dem Volk, den sie trafen, ob er etwas wisse, doch niemand konnte ihnen helfen. So endete der erste Tag von Traumjägers Suche nach der verschwundenen Goldpfote.
Drei weitere Tage vergingen ohne eine Spur von der jungen
Fela
. Fritti mochte nicht glauben, dass sie die Gegend ohne Erklärung verlassen hatte, doch sie hatten kein Anzeichen von
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