Traumjaeger und Goldpfote
die von der anderen Seite des Wäldchens zu Besuch gekommen war, setzte sich nieder, und durch die versammelten Oberhäupter der Familien lief ein Raunen von leisem Gezischel und Geflüster. Frittis anfängliche Aufregung, mit den Erwachsenen am Nasentreff teilzunehmen, schwand dahin. Als er die Geschichten vom geheimnisvollen Verschwinden hörte, welche die anderen erzählten, und sah, aufwelche Weise die weisen erfahrenen Katzen ringsum die Köpfe schüttelten und sich vor Verwirrung hinter den Ohren kratzten, begann er sich plötzlich zu fragen, ob sie überhaupt eine Hilfe dabei sein konnten, Goldpfote zu finden. Er hatte sich eingebildet, dass seine Aufgabe, sobald die älteren Katzen sie sich zu eigen gemacht hätten, im Nu gelöst werden könnte – doch siehe da! Die Brauen und Nasen der Traditionshüter des Stammes waren sorgenvoll gerunzelt. Traumjäger empfand ein Gefühl der Leere.
Springhoch, einer der jüngsten in der Runde – gleichwohl einige Jahre älter als Fritti – stand auf, um zu sprechen. »Meine Schwester … meine Nestschwester Flackerblitz hat gerade zwei ihrer Jungen verloren. Sie ist eine wachsame Mutter. Sie spielten am Fuß des alten Sirzi-Baumes am Rand des Waldes, und sie hatte sich einen Augenblick umgedreht, weil ihr Jüngster ein Fellknäuel verschluckt hatte. Als sie sich wieder umwandte, waren sie verschwunden. Und kein Hauch von einer Eule oder einem Fuchs – sie hat alles abgesucht, wie ihr euch vorstellen könnt. Sie ist ganz durcheinander.« Hier hielt Springhoch hilflos inne und setzte sich dann. Ohrenspitz erhob sich und blickte in die Runde.
»Ja, also, wenn niemand noch mehr von diesen … Geschichten …«
Langstrecker hob träge eine Pfote. »Verzeihung, Ohrenspitz, ich glaube … wo ist er? … Ja, da ist er. Der junge Traumpfleger hat etwas zu berichten. Ich meine, wenn’s nicht zu viele Umstände macht.« Langstrecker gähnte und entblößte seine scharfen Eckzähne.
»Traumpfleger?«, fragte Ohrenspitz irritiert. »Was für ein Name ist denn das?«
Borstenmaul lächelte Traumjäger zu. »Es ist Traumjäger, nicht wahr? Sprich deutlich, Junge, und fang an.«
Als Traumjäger aufstand, richteten sich alle Augen auf ihn. Er fühlte sich so elend, dass seine Barthaare schlaff herunterhingen.»Hm … ja … hm … seht ihr, sie ist meine Freundin, sie ist eine … sie ist, Goldpfote, meine ich, also sie ist verschwunden.«
Der alte Leckschnüff beugte sich vor und sah ihn scharf an. »Hast du irgendetwas herausbekommen, was mit ihr geschehen ist?«
»Nein … nein, aber ich glaube …«
»In Ordnung!« Ohrenspitz beugte sich vor und versetzte Fritti einen derben Schlag mit der Tatze auf den Kopf, dass er beinahe umgefallen wäre. »In Ordnung«, fuhr er fort, »sehr gut, ja, vielen Dank, Traum … Traumheger … das war ein höchst nützlicher Bericht, junger Freund. Also, wollen wir so weitermachen?«
Fritti setzte sich eilig nieder und tat so, als suchte er nach einem Floh. Seine Nase war heiß.
Schwanzwelle, ein weiterer Alter, räusperte sich – ein paar kurze Unterbrechungen des ungemütlichen Schweigens – und fragte alsdann: »Aber was sollen wir unternehmen?« Ein weiterer Augenblick des Schweigens, und dann begannen alle auf einmal zu sprechen.
»Die Familien warnen!«
»Wachen aufstellen!«
»Fortgehen!«
»Keine Jungen mehr!«
Dieser letzte Vorschlag kam von Springhoch, der – als er sah, dass alle anderen ihn anstarrten – plötzlich von Traumjägers Floh geplagt wurde.
Der alte Leckschnüff stemmte sich kraftvoll auf seine Tatzen. Er warf Springhoch einen strengen Blick zu und schaute dann auf die wartende Menge.
»Erstens«, grollte er, »wäre es besser gewesen, wir hätten uns zuerst darauf geeinigt, nicht in dieser Weise zu schreien und herumzuhüpfen. Ein Eichhörnchen mit einer Hummel unterm Schwanz würde weniger Lärm machen – und es würde mehr dabei herauskommen. Und jetzt wollen wir mal mit Verstand überdie Lage sprechen.« Er starrte eindrucksvoll auf die Erde, als seien dort tiefe Weisheiten verborgen. »Erstens: eine ungewöhnlich große Zahl von Angehörigen des Volkes ist verschwunden. Zweitens: wir haben keine Ahnung, was oder wer dafür verantwortlich ist. Drittens: die besten und klügsten Katzen aus unseren Wäldern sind heute Nacht hier beim Nasentreff versammelt und können das Rätsel nicht lösen. Deshalb …« Leckschnüff machte eine Pause, um seinen Worten noch mehr Würze zu geben. »Deshalb denke ich,
Weitere Kostenlose Bücher