Traummann mit Vergangenheit
an. Dann wandte sie sich an Stephen. „Wir sind hier fast fertig“, sagte sie. „Wollen Sie zurück zur Praxis? Ich kann hierbleiben und mich um die Geräte kümmern.“
„Ich helfe Ihnen“, erbot sich einer der Bauarbeiter, der seinen Kollegen hergebracht hatte. „Wir können alles in meinen Truck laden.“
Stephen nahm an, dass diese Großzügigkeit weniger mit seinem hilfsbereiten Wesen als mit Rosies weiblichen Formen, ihrer schlanken Figur und ihren warmen, braunen Augen zu tun hatte. Er überließ sie dem Arbeiter mit den treuen Hundeaugen und machte sich allein auf den Rückweg. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Nora auf ihn zukam. Dann zögerte sie, als ob sie den Gedanken nicht ertragen könnte, noch mehr Zeit mit ihm zu verbringen.
„Ich beiße nicht“, versprach er und winkte sie zu sich. Zum ersten Mal seit Langem war er versucht, eine Herausforderung anzunehmen: herauszufinden, wer Nora Darby war und warum sie jeden Mann auf Anhieb hasste.
„Vielen Dank für Ihre Hilfe“, sagte er.
„Kein Problem.“ Sie warf ihr Haar über die Schulter zurück. „Wir haben Glück gehabt. In der Stadt ist nicht viel passiert. Aber ich habe keine Ahnung, wie es anderswo verlaufen ist. Sie könnten noch einige Verletzte aus der Umgebung reinbekommen.“
Daran hatte er nicht gedacht. „Dann ist es ja gut, dass wir jetzt zur Praxis zurückgehen“, sagte er. „Da suchen die Leute bestimmt schon nach mir.“
Sie öffnete den Mund, um zu antworten. Aber ehe sie auch nur einen Ton herausbrachte, raste ein Transporter mit mindestens 80 Sachen um die Ecke. Der Fahrer bemerkte sie und fing an zu hupen, dann kam er mitten auf der Straße zum Stehen.
„Doc, Doc, Sie müssen uns helfen!“ Ein alter Mann sprang aus dem Wagen und rannte zur Ladefläche. „Mein Junge! Er hat eine schlimme Schnittwunde.“
Stephen sprintete schon zum Heck. Er kletterte hinauf und merkte, dass Nora ihm gefolgt war.
Ein Mann Ende zwanzig lag auf mehreren Decken ausgestreckt. Seine Haut war blau-weiß, er hatte die Augen geschlossen, und überall war Blut.
Stephen hörte ein leises Stöhnen neben sich, aber er hatte keine Zeit, darauf zu achten. „Wo ist er verletzt?“, fragte er.
„Am Oberarm, an der Schulter“, sagte der alte Mann. „Ich hab versucht, es zuzudrücken. Aber es hat immer weiter geblutet.“
Stephen sah sich den Klumpen Verbandsmaterial an und löste ihn. Blut sprudelte heraus. Er schob die Tücher wieder zurück. Es war unmöglich zu sagen, wie viel Blut der Mann verloren hatte. Auf jeden Fall zu viel. Er befand sich schon im Schockzustand.
Stephen blickte den Vater an. „Fahren Sie“, befahl er. „Wir müssen ihn in die Praxis schaffen. Sofort!“
Er gehorchte und setzte sich schnellstens hinters Steuer. Stephen öffnete den Erste-Hilfe-Kasten und nahm einige dicke Bandagen heraus. Er ersetzte die blutdurchtränkten Verbände mit frischen und wies Nora an, fest auf die offene Wunde zu drücken.
Der Truck holperte durchs Stadtzentrum und kam mit quietschenden Bremsen vor der Praxis zum Stehen.
„Nicht bewegen“, befahl Stephen. Dann sprang er vom Wagen und rannte in die Praxis.
Kaum eine Minute später kehrte er mit zwei Infusionsbeuteln zurück. Nachdem er alles vorbereitet hatte, tauschte er den Platz mit Nora.
„Ich muss ihn hier oben nähen“, sagte er und warf ihr zum ersten Mal, seit er auf die Ladefläche geklettert war, einen Blick zu. Sie war fast so bleich wie der Patient. „Können Sie mir helfen?“
Sie nickte. Dann schluckte sie. „Ich brauche vorher 30 Sekunden.“
Wofür?, fragte er sich. Aber noch ehe er die Frage laut aussprechen konnte, kletterte Nora vom Truck, rannte zum nächsten Mülleimer und erbrach sich. Wie versprochen, war sie nach einer halben Minute wieder an seiner Seite.
„Alles okay?“, erkundigte er sich.
„Nein, aber das macht nichts.“
Sie zog die Handschuhe an, die er ihr reichte, und hörte zu, als er den Eingriff erklärte. Zwischendurch brauchte sie eine Pause, um sich noch mal zu übergeben. Abgesehen davon war sie so ruhig und tüchtig wie seine Arzthelferin.
Es war dunkel, als der Krankenwagen abfuhr. Nora lehnte sich an die Wand in der Praxis. Sie fühlte sich zwar schwach, war aber gleichzeitig stolz auf sich. Obwohl ihr ganzes medizinisches Wissen gerade mal dafür ausreichte, ein Pflaster auf eine Wunde zu kleben, hatte sie sich heute nützlich machen können. Sie hatte Menschen in der Not geholfen.
„Wie geht es Ihnen?“
Sie
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