Traummann mit Zuckerkuss
Dorfplatz, etwas, das gar nicht in die heutige Zeit passte– wie eine Zeichnung von Beatrix Potter, hatte sie mal gedacht. Es fehlten nur noch die Butzenfenster.
Der Wind fegte schon wieder über die Hauptstraße, und sie bog in Richtung Wohnung ab. Nach Hause.
Issy hatte ihr Apartment auf dem Höhepunkt des Immobilienbooms gekauft. Für jemanden, der in der Wohnungsbranche arbeitet, war das kein kluger Schachzug gewesen. Sie hatte den Verdacht, dass die Preise etwa dreißig Minuten, nachdem sie ihre Schlüssel abgeholt hatte, schon wieder gesunken waren. Damals war sie noch nicht mit Graeme zusammen gewesen, den sie bei der Arbeit kennengelernt hatte (obwohl er ihr natürlich bereits vorher aufgefallen war, wie allen anderen Frauen im Büro auch), denn sonst, das hatte er mehrmals betont, hätte er ihr auf jeden Fall abgeraten.
Aber selbst dann hätte sie vielleicht gar nicht auf ihn gehört. Nachdem sie sich durch jede einzelne Immobilie in ihrer Preisklasse gekämpft und sie alle gehasst hatte, wollte sie schon aufgeben, als sie schließlich in der Carmelite Avenue gelandet und auf Anhieb begeistert gewesen war. Die Wohnung umfasste die oberen zwei Stockwerke eines der hübschen grauen Gebäude und hatte über eine Treppe einen separaten Seiteneingang, sodass sie ihr eigentlich fast wie ein eigenes Haus und gar nicht wie eine Wohnung vorkam. Ein offener Küchen-, Wohn- und Essbereich füllte eins der beiden Stockwerke fast komplett aus. Issy hatte sich dort mit einem riesigen, verblichenen grauen Sofa, einem langen hölzernen Tisch mit Bänken und ihrer geliebten Küche so gemütlich wie möglich eingerichtet. Die Küchenelemente hatte sie günstig im Schlussverkauf erstanden, und zwar deshalb, weil sie leuchtend pink waren. » Niemand will eine pinkfarbene Küche«, hatte der Verkäufer ein wenig traurig erklärt. » Alle wollen nur noch Edelstahl. Oder den Landhausstil. Zwischen den beiden Extremen gibt’s gar nichts mehr.«
» Ich hab noch nie eine rosafarbene Waschmaschine gesehen«, hatte Issy aufmunternd erwidert. Traurige Verkäufer konnte sie nicht ertragen.
» Ich weiß. Anscheinend fühlen sich die Leute unwohl, wenn sie ihre Wäsche darin sehen.«
» Das ist natürlich ein Nachteil.«
» Jordan hätte fast so eine gekauft«, erklärte er, und seine Miene hellte sich ein wenig auf. » Aber dann fand sie sie doch zu pink.«
» Jordan fand die zu pink?«, wunderte sich Issy, die sich selbst nie als den rosafarbenen Girly-Typen gesehen hatte. Das hier war jedoch so ein bezauberndes Schiaparelli-Pink. Das war eine Küche, die einfach nur geliebt werden wollte.
» Und es gibt wirklich 70Prozent Rabatt?«, fragte sie noch einmal. » Einbau und so weiter inklusive?«
Der Verkäufer sah das hübsche junge Mädchen mit den grünen Augen und der Lockenmähne an. Er mochte mollige Frauen. Die sahen wenigstens so aus, als würden sie in der Küche auch wirklich etwas kochen. Er hatte nichts für die spitzen Damen übrig, die scharfkantige Küchen wollten, um darin ihren Gin und ihre Gesichtscreme aufzubewahren. Seiner Meinung nach sollte man in einer Küche etwas Köstliches zubereiten und dazu einen tollen Wein einschenken. Manchmal hasste er seinen Job, aber seine Frau fand es toll, dass sie ihre Küche jedes Jahr zu ermäßigten Preisen auf den neusten Stand bringen konnte, und bereitete ihm darin die wunderbarsten Mahlzeiten zu, also marschierte er tapfer weiter. Und sie wurden beide immer dicker.
» Jawohl, 70Prozent Rabatt. Die würden sie wahrscheinlich doch nur entsorgen«, verriet er. » Die komplette Küche würde auf dem Müll landen. Können Sie sich das vorstellen?«
Das konnte Issy sich durchaus vorstellen. Echt traurig.
» Wie schrecklich«, erwiderte sie feierlich.
Der Verkäufer nickte und überlegte bereits, wo er seinen Bestellblock hingelegt hatte.
» 75Prozent?«, feilschte sie. » Im Prinzip tue ich damit doch ein gutes Werk. Rettet die pinke Küche!«
Und so war sie an ihre ungewöhnliche Küche gekommen. Sie hatte sie mit schwarz-weiß karierten Arbeitsgeräten und Linoleum kombiniert. Beim ersten Besuch kniffen ihre Gäste meist die Lider zusammen und rieben sie sich dann, um das Flimmern wegzubekommen. Wenn sie die Augen dann wieder öffneten, stellten einige verwundert fest, dass ihnen die pinkfarbene Küche tatsächlich gefiel. Auf jeden Fall genossen sie alles, was darin zubereitet wurde.
Selbst Grampa Joe hatte sie bei einem seiner sorgfältig arrangierten Besuche
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