Traummann mit Zuckerkuss
mehr Energie als absolut nötig.) Issy war mit den Törtchen zufrieden, sie waren leicht und luftig, mit einem zarten Aroma von Orangen und Sahne, köstlich, und nicht so schwer, dass man sich damit vor dem Essen den Appetit verdarb. Allerdings hatte sie völlig vergessen, einkaufen zu gehen. Na, dann mussten die Küchlein eben als Abendessen herhalten.
» Ich wurde geknufft«, sagte Helena.
Issy richtete sich auf. » Schon wieder?«
» Er hat mich für ein Feuerwehrauto gehalten. Angeblich.«
» Und was macht ein Feuerwehrauto in der Notaufnahme?«, warf Issy ein.
» Gute Frage«, meinte Helena. » Na ja, wir kriegen da ja so einiges zu hören.«
Helena hatte bereits mit acht Jahren gewusst, dass sie Krankenschwester werden wollte. Damals hatte sie alle Kissenbezüge im Haus zusammengetragen und damit ihre Stofftiere in ihren Krankenbettchen zugedeckt. Mit zehn hatte sie darauf bestanden, von ihrer Familie » Florence« gerufen zu werden (ihre drei jüngeren Brüder, die einen Heidenrespekt vor ihr hatten, nannten sie immer noch so). Mit sechzehn hatte sie nach der Schule direkt ihre Ausbildung begonnen, und zwar ganz klassisch auf der Station unter der Leitung einer Oberin. Und obwohl die Regierung inzwischen am System herumgepfuscht hatte, war sie mittlerweile zur Stationsleitung aufgestiegen ( » Nennen Sie mich Oberin«, sagte sie zu den mürrischen alten Fachärzten, die das nur zu gerne taten) und schmiss in der hektischen Notaufnahme in Hemel Park quasi den Laden. Dabei behandelte sie ihre Schwesternschülerinnen, als befänden sie sich immer noch im Jahr 1955, und hätte es damit beinahe in die Presse geschafft, als eines der Mädchen sie verpfiff, weil sie regelmäßig die Fingernägel kontrollierte. Die meisten dieser jungen Frauen vergötterten sie jedoch, genauso wie viele Juniorärzte, denen sie in den unsicheren ersten Monaten half und zur Seite stand, und auch die Patienten himmelten sie an. Das heißt, wenn sie nicht völlig verrückt waren und sie knufften.
Selbst wenn sie mehr Geld verdiente, den ganzen Tag saß und nicht diese lächerlichen Arbeitszeiten hatte, beneidete Issy mit ihrem sicheren Firmenjob Helena manchmal. Es war bestimmt befriedigend, seiner Berufung nachzugehen und auch noch zu wissen, dass man seine Aufgabe hervorragend erledigte, selbst wenn es dafür nur einen Hungerlohn gab und man gelegentlich geknufft wurde.
» Wie geht es Mr Randall?«, erkundigte sich Helena. Sie verehrte Issys Großvater, der in ihr ein prächtiges Weibsstück sah und voller Bewunderung jedes Mal behauptete, sie sei schon wieder gewachsen. Er fand, sie würde auch als Kapitän am Steuer eines Schiffes eine gute Figur machen. Außerdem hatte sie für ihn mit professionellem Blick jedes Altenwohnheim in der Gegend unter die Lupe genommen, wofür Issy auf ewig tief in ihrer Schuld stand.
» Es geht ihm gut«, sagte Issy. » Nur leider heißt das, dass er am liebsten aufspringen und losbacken würde, und das macht ihn wütend, und dann fängt er wieder an, die dicke Schwester zu ärgern.«
Helena nickte.
» Hast du ihm schon Graeme vorgestellt?«
Issy biss sich auf die Lippe. Helena wusste ganz genau, dass sie ihren Freund noch nie dorthin mitgenommen hatte.
» Noch nicht«, erklärte sie. » Er begleitet mich sicher bald mal, im Moment ist er nur so beschäftigt.«
Issy musste daran denken, dass Helena immer nur solche Männer anzog, die den Boden unter ihren Füßen anbeteten. Leider fand sie das furchtbar nervig und verbrachte die meiste Zeit damit, für heiße Alpha-Männchen zu schwärmen, die nur an Frauen mit dem Body-Mass-Index eines zittrigen kleinen Hündchens interessiert waren. Trotzdem konnte niemand, der an einer normalen– oder zumindest halbwegs normalen– Beziehung interessiert war, mit Helenas Bewunderern mithalten, die stapelweise Gedichte für sie verfassten und ihr Zimmer vor Blumen überquellen ließen.
» Hm«, antwortete Helena in demselben Tonfall, den sie auch bei jugendlichen Skate-Punks benutzte, die mit gebrochenem Schlüsselbein eingeliefert wurden. Sie schob sich noch ein Küchlein in den Mund. » Also weißt du, die sind köstlich. Du könntest damit wirklich dein Geld verdienen. Bist du sicher, dass meine fünf täglichen Obst- und Gemüserationen damit nicht abgedeckt sind?«
» Leider ja.«
Helena seufzte. » Schade, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Schnell, mach den Fernseher an, heute ist doch Simon-Cowell-Tag. Ich will dabei zusehen, wie
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