Traumpfade
Freundschaft mit den Lieder-Menschen mißgönnte, Informationen aus ihm herausholte und prompt ein Geheimnis verriet, das zu bewahren er versprochen hatte. Angewidert von dem nachfolgenden Streit warf der »Russe« seine Arbeit hin und ging ins Ausland.
Er sah die buddhistischen Tempel Javas, saß mit Sadhus an den Totenverbrennungsstätten in Benares, rauchte Haschisch in Kabul und arbeitete in einem Kibbuz. Auf der schneebestäubten Akropolis von Athen war nur ein einziger anderer Tourist: ein griechisches Mädchen aus Sydney.
Sie reisten zusammen durch Italien, sie schliefen miteinander, und in Paris beschlossen sie zu heiraten.
Da er in einem Land groß geworden war, in dem es »nichts« gab, hatte Arkady sich sein Leben lang danach gesehnt, die Monumente der abendländischen Zivilisation zu sehen. Er war verliebt. Es war Frühling. Es hätte wunderbar sein sollen in Europa. Zu seiner Enttäuschung hinterließ es bei ihm einen schalen Geschmack.
In Australien hatte er die Aborigines oft gegen Leute verteidigen müssen, die sie als Trunkenbolde und unfähige Wilde abtaten; doch hatte es in dem Fliegendreck und Elend eines Warlpiri-Lagers Augenblicke gegeben, in denen ihm der Verdacht kam, daß sie recht haben könnten und daß seine Berufung, diesen Schwarzen zu helfen, entweder eine vorsätzliche Selbsttäuschung oder aber Zeitverschwendung sei.
Jetzt, in einem Europa des gedankenlosen Materialis mus, erschienen ihm seine »alten Männer« weiser und besonnener denn je. Er ging in ein Qantas-Büro und kaufte zwei Tickets für den Rückflug. Er heiratete sechs Wochen später in Sydney und nahm seine Frau mit nach Alice Springs.
Sie sagte, daß es ihr Wunsch sei, im Innern des Landes zu leben. Sie sagte, daß es ihr gefalle, als sie dort ankam. Nach nur einem Sommer in einem blechgedeckten Haus, in dem es heiß war wie in einem Backofen, begannen sie sich auseinanderzuleben.
Die Landrechte-Gesetzgebung gab den Aborigines-»Besitzern« Anrecht auf ihr Land, vorausgesetzt, es lag brach. Die Arbeit, die Arkady für sich ausdachte, bestand darin, die »Stammesgesetze« in die Sprache der Krone zu übersetzen.
Niemand wußte besser, daß die »idyllischen« Tage des Jagens und Sammeins vorüber waren – falls sie überhaupt jemals so idyllisch gewesen waren. Wenn man für die Aborigines etwas tun wollte, so mußte man ihnen ihre wichtigste Freiheit erhalten: die Freiheit, arm zu bleiben, oder, wie er es taktvoll formulierte, den Raum, in dem sie arm sein konnten, wenn sie arm sein wollten.
Jetzt, da er allein lebte, verbrachte er die meiste Zeit gern »draußen im Busch«. Wenn er in die Stadt kam, arbeitete er in einer stillgelegten Druckerei, wo Rollen alten Zeitungspapiers noch immer die Druckerpressen verstopften und Serien seiner Luftaufnahmen wie Dominosteine über die schäbigen weißen Wände verteilt waren.
Eine Serie zeigte einen dreihundert Meilen langen Streifen Land, der ziemlich genau nach Norden führte. Es war die geplante neue Eisenbahnlinie von Alice nach Darwin.
Diese Linie, sagte er mir, sei der letzte längere Schienenstrang, der in Australien gelegt werden würde; und der Chefingenieur, ein Eisenbahner der alten Schule, habe verkündet, daß sie auch die beste sein müsse.
Der Ingenieur stand kurz vor seiner Pensionierung und war um seinen Nachruf besorgt. Ihm war besonders daran gelegen, den Tumult zu vermeiden, der jedesmal ausbrach, wenn eine Bergbaugesellschaft ihren Maschinenpark auf Aborigine-Land abstellte. Daher hatte er versprochen, keine einzige ihrer heiligen Stätten zu zerstören, und ihre Vertreter gebeten, ihm eine Karte zu beschaffen.
Arkadys Arbeit bestand darin, die »traditionellen Landbesitzer« ausfindig zu machen, mit ihnen über ihre alten Jagdgründe zu fahren, auch wenn diese jetzt einer Viehzüchtergesellschaft gehörten, und in Erfahrung zu brin gen, welcher Felsen, welches Schlammloch oder welcher Geistereukalyptusbaum das Werk eines Traumzeit-Heroen war.
Er hatte bereits eine Karte von der hundertfünfzig Meilen langen Strecke von Alice bis zur Middle-Bore-Ranch angelegt. Er hatte noch weitere hundertfünfzig Meilen vor sich.
»Ich habe den Ingenieur darauf aufmerksam gemacht, daß er reichlich verwegen ist«, sagte er. »Aber er will es nun einmal so.«
»Wieso verwegen?« fragte ich.
»Na ja, wenn man es mit ihren Augen betrachtet«, meinte er grinsend, »dann ist das ganze verflixte Australien eine heilige Stätte.«
»Erklären Sie«, sagte
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