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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Die Kobra war für ihre Länge dünn, aber kräftig, und die Konvulsionen, die sie heimsuchten, waren schwerer als alle, die je zuvor auftraten; sie wand sich in Schlanges Umklammerung und riß sich beinahe los. Sie wollte ihre Kapuze aufblähen, aber Schlange hielt sie zu fest. Sie öffnete das Maul und zischte, aber von ihren Fangzähnen troff kein Gift. Sie wickelte ihren Schwanz um die Hüften des jungen Mannes. Er begann an ihr zu zerren und zu drehen, um sich aus ihren Windungen zu befreien.
    »Sie ist keine Würgerin«, sagte Schlange. »Sie kann dich nicht zerdrücken, laß sie...«
    Aber es war zu spät; plötzlich entspannte sich Dunst, und der junge Mann verlor das Gleichgewicht. Dunst schnellte sich ab und peitschte Streifen in den Sand. Schlange rang allein mit ihr, während der junge Mann sie wieder zu ergreifen versuchte, aber sie ringelte sich um Schlange und fand an ihr Halt. Schlange warf sich mit ihr rücklings auf den Sandboden; Dunst erhob sich über sie, das Maul aufgerissen, zornig zischend. Der junge Mann sprang hinzu und packte sie dicht unterhalb der Kapuze. Dunst stieß nach ihm, aber irgendwie vermochte Schlange sie zurückzuhalten. Gemeinsam beraubten sie Dunst ihres Halts und bekamen sie wieder in ihre Gewalt. Schlange raffte sich auf, doch plötzlich lag Dunst ganz ruhig zwischen ihnen, beinahe steif. Sie schwitzten beide; der junge Mann war unter seiner Hautbräune bleich geworden, und sogar Schlange bebte.
    »Wir können uns nun für ein Weilchen ausruhen«, sagte Schlange. Sie sah ihn an und bemerkte auf seiner Wange den dunklen Striemen, der von jenem Hieb, den Dunst ihm mit dem Schwanz versetzt hatte, zurückgeblieben war. Sie hob einen Arm und berührte ihn.
    »Das gibt eine Schwellung, mehr nicht«, sagte sie. »Es wird keine Narbe bleiben.«
    »Wenn es wahr wäre, daß Schlangen mit ihren Schwänzen stechen, so würdest du sowohl die Zähne wie auch den Stachel im Zaume halten, und ich wäre kaum von Nutzen.«
    »Heute nacht benötige ich auf jeden Fall jemanden, um mich wachzuhalten, ganz gleichgültig, ob derjenige mir im Umgang mit Dunst eine Hilfe ist.«
    Der Kampf mit der Kobra hatte Adrenalin erzeugt, doch dessen Wirkung verfloß; Erschöpfung und Hunger kehrten zurück, stärker als vorher.
    »Schlange...«
    »Ja?«
    Er lächelte hastig und halb verlegen. »Ich wollte nur hören, wie es klingt.«
    »Es klang schon ganz gut.«
    »Wie lange hast du gebraucht, um die Wüste zu durchqueren?«
    »Nicht besonders lange. Zu lange. Sechs Tage.«
    »Wie hast du es geschafft?«
    »Es gibt dort Wasser. Wir sind bei Nacht geritten, außer gestern, denn gestern konnte ich keinen Schatten finden.«
    »Hast du die gesamte Verpflegung mitgetragen?«
    Sie hob die Schultern. »Ein bißchen.« Und sie wünschte, er möge nicht von Nahrung reden.
    »Was ist auf der anderen Seite?«
    »Noch mehr Sand, noch mehr Sträucher, noch etwas mehr Wasser. Ein paar Stämme, Händler, die Niederlassung, wo ich aufgewachsen bin und meine Ausbildung bekam. Und noch weiter dahinter ein Berg mit einer Stadt im Innern.«
    »Ich möchte gern eine Stadt sehen. Irgendwann.«
    »Die Wüste läßt sich durchqueren.«
    Darauf entgegnete er nichts, doch Schlanges Erinnerungen an ihren Abschied von daheim waren noch deutlich genug, daß sie sich seine Gedankengänge vorzustellen vermochte.
    Der nächste Anfall mit seinen Zuckungen kam viel früher, als Schlange ihn erwartet hatte. An ihrer Schwere konnte sie in gewissem Umfang das Stadium von Stavins Erkrankung ablesen, und sie wünschte, es wäre bereits Morgen. Falls er starb, ließ es sich nicht rückgängig machen, und sie würde sich grämen müssen und zu vergessen versuchen. Die Kobra hätte sich im Sand zu Tode geschmissen, wäre sie nicht von Schlange und dem jungen Mann festgehalten worden. Plötzlich erstarrte sie und war stocksteif, ihr Maul war krampfhaft geschlossen, die gespaltene Zunge baumelte heraus. Sie hörte zu atmen auf.
    »Nimm sie«, sagte Schlange, »am Kopf. Schnell, greif zu, und sollte sie sich losreißen, dann lauf. Greif zu! Sie wird jetzt nicht zustoßen, sie könnte dir nur zufällig einen Kratzer beibringen.«
    Er zögerte nur für einen Moment, dann griff er zu und packte Dunst hinter dem Kopf. Schlange lief, wobei sie fortwährend im tiefen Sand ausrutschte, vom Rand des Zeltplatzes zu einer Stelle, wo noch Sträucher standen. Sie brach drei dornige Zweige ab, die ihre zernarbten Hände aufrissen. Beiläufig bemerkte sie, daß

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