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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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Löwenkot stank.
    Fräulein Stasny nahm Abstand.
    Ich kann sie verstehen, sagte Passow damals, denn bevor mir die Wohnung gekündigt wurde, okkupierten Fliegen unser künftiges Heim. In einer Nacht brachte ich das Zeug in den Wiener Wald und begrub mit dem Elephantendung und dem Löwenkot alle meine Träume und ergab mich, jetzt Untermieter, dem Trunk.
    Das Beisel hieß Zum Treuen Leu , eine bittere Ironie des Zufalls.
    Zu seinem 24. Geburtstag schenkte ich Passow im Beisel Zum Treuen Leu einen fingerhohen Donald Duck, einen leidenden Zug um den Schnabel, und eine Kunstpostkarte von Rubens aus seinem Sortiment, es war der heilige Sebastian, der, mit vier Pfeilen gespickt, unter einer Ulme litt; den fünften Pfeil im rechten Oberschenkel darf man nicht mitzählen, tödlich sind nur wenige. Auf der Rückseite hatte ich eine hübsche Sentenz des französischen Philosophen Edgar Fin notiert, reine Kalligraphie –: Die Menschen haben einen unseligen Tätigkeitsdrang, zu dessen Rechtfertigung ihnen schlechterdings kein Grund zu unglaubwürdig ist.
    Ja, sagte Passow, das mag wahr oder nicht wahr oder sogar falsch sein, das liegt alles an meiner Konstitution, und die ist, wie sie ist. Man kann ja nichts dafür. Wer will schon entscheiden, ob der Zufall die Schicksalsschläge austeilt oder ein determiniertes Schicksal die Zufälle.
    Zu diesen Gesprächen aßen wir Schweinsbraten mit Karfiol.
    Passow litt unter Asthma, einem starken Tremor und Schlaflosigkeit. Damals schon ein engagierter Therapeut für hoffnungslose Fälle, riet ich ihm zu einer Diät: Milchspeisen, Früchte und statt Fleisch in Wasser gedünsteten Spinat. Der Mensch, sagte ich überlegen, sei zwar ein omnivores Wesen, aber das Prinzip Vegetarismus sei nun mal gesünder.
    Gesundheit, sagte Passow, hör auf mit der Gesundheit, Fetisch Gesundheit! Der Mensch sei ein fallites Wesen, vor allem im Geschäftsleben, und das habe mit der Gesundheit nichts zu tun. Wir hatten die vierte Karaffe Veltliner vor uns und bald hinter uns.
    Vielleicht, sagte ich, waren deine Geschäftsideen krank … Devotionalien und Elephantendung.
    Passow brütete lange Zeit, kaute, entfernte mit zwei Fingern ein Stück Schweinsbraten aus der Mundhöhle und erwiderte, die Zeit sei für seine Idee mit dem Naturdünger noch nicht reif gewesen.
    Eine gute Geschäftsidee, sagte ich, müsse ihrer Zeit kongenial sein.
    Das sei Unsinn, sagte Passow. Er wurde immer erregter und warf sein Weinglas um. Alle Genies, die da Ruhm ernteten, seien auf ihre Weise verrückt gewesen und ihrer Zeit weit voraus, und er scheiße auf die Kongenitalität.
    Ich verbesserte ihn nicht. Betrunkene soll man nicht reizen.
    Und dann hatte ich leider einen idiotischen Einfall, der für den armen Passow mehr als nur zufällige Folgen erzeugte.
    Ach ja, mea culpa, ich bereue.
    Passow soff erbittert seinen grünen Veltliner, der, genau betrachtet, nicht zu den besten Weinen gehört.
    Bei einem Dentisten in der Wurmser Gasse hatte ich anlässlich eines Besuchs in der Zeitschrift für Humanmedizin geblättert. Ein Artikel von einer Frau Dr. Voskil beschrieb seelenvoll in einem angenehmen Tonfall die segensreichen Wirkungen von Mäusemilch auf den menschlichen Organismus; die ganze Sache war wohl noch nicht vollständig validiert. Ein Liter Mäusemilch hatte einen horrend hohen Preis für ein Naturprodukt, so um die 1000 Dollar. Ich kann mich erinnern, dass Passow lange Zeit schwieg; es war das Schweigen eines Denkers, der ein Problem fixiert, um das sich noch niemals jemand gekümmert hatte. Ich hörte sein Seufzen, dann schaute er an die schmutzige Decke und sagte: Mäusemilch, natürlich.
    Er bestellte einen Cognac.
    Eugen, sagte ich, diese Sache ist noch nicht ausgereift – der Artikel verschwieg, wofür oder wogegen diese Mäusemilch therapeutisch sinnvoll ist …
    Zu spät.
    Der Furor der Projektemacherei hatte ihn in den Fängen.
    Passow ließ sich einen Quittungsblock bringen und notierte rasende Gedanken mit einem überreifen Kugelschreiber, der da traurig kleckste. Ich sah, wie der entflammte Passow von Mäusefarmen und Kristallphiolen voller Mäusemilch träumte. Sein Plan auf dem Quittungsblock zeugte trotz Alkohol von Klarheit, Schönheit und einem enormen Realitätssinn.
Exposé:
Umsatzplanung, Investitionsbedarfplanung, Anlageinvestition?
Population, Warenlager, Betriebsmittel, Finanzierungsplan (Mutter!)
Rechtform des Unternehmens – GBR, OHG, KG oder GmbH?
Standortanalyse und Marktbeobachtung, wichtig!
Die

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