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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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Spezies?
    Das Übliche, sagte Frau Horak, die letzte Patientin war eine Seegurke.
    Seegurken seien symbolisch unergiebig, sagte Borst, er brauche exotische Tiere, sei aber auch mit Fröschen zufrieden.
    Vor 30 Jahren habe er einmal mit präparierten Laubfröschen eine Golgatha-Szene gestaltet, Frösche ließen sich mit Hilfe von Epoxid-Harz in alle menschlichen Posen zwischen Erde und Himmel bringen. Ich vertraue Ihnen, sagte Borst beim Abschied, hier meine Telefonnummer an, ich bin der beste Taxidermist der Welt – immerhin der 2. Platz bei den Salzburger Weltmeisterschaften, die Jury war bestochen, ein Mann aus der Ostzone gewann mit einer miesen Halsbandmaus, gut, aber nicht genial gemacht, während mein Nietzsche, eine Bisamratte schreibend im Gehäus von Sils-Maria, originalgetreu! – Lassen Sie uns schweigend diese Becher leeren.
    Wir würden in Verbindung bleiben und tranken auf den Menschen, das noch nicht festgestellte Tier.
    Dann kam wieder lange nichts an Patientengut.
    Notizbuch mundiert, manches beseitigt.

 
    16 Einmal besuchte mich mein alter Freund Passow, eine gescheiterte Existenz, ein Schriftsteller, dem es nicht recht gelang, mit moralischen Tierfabeln zu reüssieren.
    Dieser Besuch bescherte der alten Freundschaft eine gewisse Abkühlung. Ich bewohnte eine Dachwohnung, einstmals ein Atelier, und dieser Locus amoenus, diese stille, abgeschiedene Klause, wird meine letzte Wohnung vor der Kiste sein. Zu meinem finalen Ort – ein paar Tiere hatten sich traulich bei mir ein Heim gesucht – führte ein Fahrstuhl, der meine Kollektionen nur unter Stöhnen transportiert hatte. Im Grunde war er gutmütig, aber das Alter machte ihm wohl zu schaffen.
    Das Atelierfenster war so blind, dass ich nur unter Kunstlicht meine Aufzeichnungen machen konnte; im Winter war es extrem kalt, im Sommer extrem heiß. Durch die verglaste Dachluke hätte man einen hübschen Blick auf den Friedhof Grunewald gehabt, gesetzt, man benutzte den alten Büchertritt.
    Nachts hört man die S-Bahn und das Rauschen des endlosen Verkehrs der Stadtautobahn. Manchmal dachte ich beim Einschlafen, ich sei vergraben im Bauch der Arche Noah, dort am Heck, wo die Elephanten schliefen. In den Labyrinthen der Pfosten und Balken hatte ich sogar die Exponate des Malers Max Singram unterbringen können. Sein Opus magnum, Die Arche Noah sticht in See , hatte ich mit einem weißen Laken bedeckt und mit Seilen festgezurrt. Als Gastgeber war ich nicht sehr gut; die Armut macht nicht großzügig; alles ging für die Miete drauf, das war die Lage. Gottlob ist Passow nicht anspruchsvoll; ich reichte gesalzene Erdnüsse aus der Dose und Leitungswasser.
    Wir setzten uns an diesem heiteren Apriltag an einen runden Messingtisch unter dem Atelierfenster. Die Sonne erschien hinter dem schmutzigen Glas als rötliche Mandel.
    Du wohnst wie ein Schwein, sagte Passow; er könnte keinen Augenblick in einem solchen Chaos leben.
    Das müsse er ja auch nicht, sagte ich.
    Eine Frau, sagte Passow, will sagen, eine Zugehfrau, wäre so übel nicht.
    Die könne ich nicht bezahlen, sagte ich, die Fixposten seien konstant hoch per anno, ich lebte von Konserven.
    Freund Passow seufzte missbilligend.
    Ich habe dir, sagte er, guten Wein mitgebracht – und er nahm aus einem Beutel von Lidl zwei Flaschen à 1,99 €, Sonderangebot, schmeckte danach.
    Santé, sagte Passow, mein Lieber, sage einmal … wie ist das alles passiert… du hattest doch früher Ambitionen … Ehrgeiz, Ziele … du wolltest …
    Hat sich alles zerschlagen, sagte ich, wahrscheinlich muss ich einmal so eine Art Lebensbilanz ziehen – in diesem Augenblick gab mir Yorick ein Signal; Zeit für seine Rotlicht-Therapie.
    Ich ging hinter den Paravant – mit Damen kopulierende Samurai – zu einem Sekretär des vorzüglichen Ebenisten Röntgen, auf dem Yorick aus seinem Nachmittagsschlummer erwacht war; ein hagerer, bernsteingelber Kater mit dickem Schädel. Sein Pelz war schwarz gefleckt, das linke Auge grau meliert, als trüge er ein Monokel.
    Das ist Passow, sagte ich, – der da mein Freund Yorick.
    Unter der Rotlichtbirne rollte sich Yorick nach vier zimperlichen Umdrehungen um seine Achse zur üblichen Meditation zusammen. Passow schauderte – er hasste Katzen – und sagte, es röche ein wenig streng, ob ich noch mehr Haustiere hätte?
    Zwei alte Schildkröten namens Melmoth und Yvette, sagte ich, diverse Mäuse, die aber zeigten sich nur nachts, im Hochsommer Fliegen, im hinteren Dachbodentrakt

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