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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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Amitryptilin (dämpfend). Alles in allem ist alles in Ordnung.
    Man muss vermeiden, was contraproduktiv sein könnte. Nullpunkt überwinden! Die Allergien und die Phobien vergessen durch Arbeit der Erinnerung, mögen auch die exakten Zahlen fehlen; da werde ich eben improvisieren.
    Sonntag.
    Große Differenz zwischen ‹Gedächtnis› und ‹Erinnerung› festgestellt. Dr. Spoerri wegen der Akalkulie konsultieren.

 
    2 Während einer finanziellen und gesamtpsychischen Flaute übernahm ich vor zwei Jahren die Berliner Praxis meines Freundes Franz Curtius für verhaltensgestörte Kleintiere. Die Praxisräume lagen im Parterre; auf dem mit Drahtgitter bespannten Balkon wuchs Katzengras in Plastiktöpfen.
    Manche Tiere, sagte C., verhielten sich resistent gegen seine Therapien und neigten zur Flucht vor ihnen. Ich lobte das Gitter.
    Freund Curtius sah sterbenselend aus; seine Nase war geschwollen und tropfte unaufhörlich, die Augen waren rot; seinen Tremor übergehe ich, weil die anderen Symptome interessanter waren. Die Lungen pfiffen, hin und wieder unterdrückte er einen Hustenreiz, wenn er bei geöffnetem Mundloch die Luft ausstieß. Sein Hüsteln zeigte durchaus den Willen zur erlösenden Entschleimung.
    Du bist ja krank, sagte ich.
    Da hast du recht, sagte Curtius. Es handele sich um eine allergische Rhinitis. Aus diesem Grund müsse er nach Ägypten, um sich mit trockener Wüstenluft zu regenerieren. Ich zeige dir jetzt, sagte er mit einem agonalen Röcheln ohne Hüsteln, meine Praxis und erläutere dir die Schlachtpläne, will sagen, die Therapiekonzepte.
    Wie hast du dir, fragte ich, diesen Symptomenkomplex geholt?
    Curtius röchelte.
    Uneindeutige Ätiologie, sagte er, vielleicht tierische Allergene, die Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen.
    Hinter dem Tresen oder der Rezeption saß eine ältere Dame, eine schöne Person, so dürr wie eine Gottesanbeterin, aber mit einem veritablen Ammenbusen.
    Das ist unsere Frau Horak, sagte Curtius, sie war Lacan-Schülerin.
    Frau Horak reichte mir eine lange, eiskalte Hand mit blauen Nägeln.
    In der Vergangenheit, sagte meine zukünftige Assistentin, gingen allzu viele beschädigte menschliche Seelen durch meine Hände, und das hat mich auf eine seltsame Weise erschöpft.
    Diese Sentenz kam mir irgendwie bekannt vor. Ich kondolierte. Sie atmete tief ein, ihr Busen hob sich unter dem Kittel, und sie sagte mit einem Seufzen: Das Tier als solches hat eine ganz andere Seelenstruktur, unangreifbar in seiner unerlösbaren Sättigungs-Ataraxie.
    So kann man das sehen, sagte ich und folgte Curtius in die anderen Praxisräume.
    Stoß dich nicht, sagte C. nach einem Hustenanfall, an ihrer Sprechweise. Sie ist eine Seele von Mensch, und verstörte Meerschweinchen fassen nach dem ersten Blick tiefes Vertrauen zu ihr.
    Mit welchen Probanden ich denn so zu rechnen hätte, fragte ich.
    Mit diesen und jenen, sagte C., allzu viel Betrieb herrsche nicht, es sei ein ganz bequemer Job. Du als Schriftsteller bist ja irgendwie und permanent erfolglos; so wird es dir leichtfallen, eine gewisse Empathie für Tiere zu empfinden; Tierliebe sei nicht unbedingt notwendig, aber in allen Fällen Barzahlung oder Vorauskasse für die Moribunden.
    Curtius, sagte ich bei der Inspektion von vierzehn Katzenklos, was eigentlich sollte man beachten? Wie sieht die Therapie aus … welche Gestalt hat sie … liegt eine gar stimmige Theorie zugrunde … hast du Dossiers … vielleicht Anamnesen … was? Arthur, sagte C. tief aus der Bronchialzone, eigentlich sind alle Kunden kerngesund, erst der Mensch macht sie krank.
    Ich bat um ein Beispiel.
    Ein junger Mann hielt sich eine junge weibliche Anakonda, ein Riesenbiest, frisch aus dem Amazonasgebiet geschmuggelt, Liebe auf den ersten Blick, nannte sie Isolde – der Mann war Romanist –, fütterte sie mit Meerschweinchen, die er in der Wohnung züchtete – ein Riesenverschleiß –, und sie schlief in seinem Bett, umschlang ihn liebestrunken, herzte und drückte ihn, bis ihm die Luft ausging. Nach einer besonders heißen Nacht brachte er Isolde in einem Kartoffelsack. Ich explorierte ausgiebig und hörte mir die Probanden an, natürlich in getrennten Räumen.
    Wie groß war das Biest …? Ich habe keine Phobien gegen Riesenschlangen, aber Informationen sind immer nützlich.
    Ach, sagte C., ein junges Geschöpf, nur fünf Meter lang, kaum der Pubertät entwachsen, sehr anschmiegsam, vielleicht ein wenig ungestüm.

 
    3 Abgesehen von einem Reizdarm,

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