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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Schlennstedt
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gewusst«, entgegnete sie entschieden. »Es war pure Spekulation. Ich habe Gisela und Jimmy nie wieder in einer verfänglichen Situation angetroffen.«
    »Anhand von Vosbergs Aufzeichnungen gehen wir mittlerweile davon aus, dass er mehrere Dutzend Male von Gisela Sachs missbraucht wurde. Sie wissen nichts darüber?«
    »Nein, das müssen Sie mir glauben.«
    »Es fällt mir schwer«, sagte Andresen. »Warum haben Sie uns nicht gesagt, dass es Jimmy Vosberg war, der sie überfallen hat? Oder wollen Sie mir etwa sagen, Sie hätten ihn nicht erkannt?«
    Sie wich seinem Blick aus und zuckte kaum sichtbar mit den Schultern. Ihre zuvor noch trotzige Haltung war verschwunden. »Ich wusste bereits vorher, dass Vosberg Rache nimmt«, sagte sie schließlich.
    »Als sie von den beiden anderen Todesfällen in der Zeitung gelesen haben?«
    »Spätestens als ich Katharina Kocks Leiche im Kanal gefunden habe«, antwortete Hanka Weichert.
    »Wie bitte?«
    »Ich habe sie nicht einmal erkannt, aber ich wusste genau, was geschehen war.«
    »Und weshalb haben Sie uns nicht …?«
    »Sie war tot. Ob ich die Polizei verständige oder der nächste Jogger, war doch egal.«
    Andresen schüttelte den Kopf. Er verstand Hanka Weichert nicht.
    »Zurück zu dem Mordversuch an Ihnen. Weshalb wollten Sie den Verdacht auf Oliver Rehm lenken, mit dem Sie früher einmal zusammen gewesen sind?«
    Sie zuckte zusammen und sah Andresen entgeistert an. »Das war nie meine Absicht. Ich habe lediglich irgendetwas ausgesagt, damit Sie Vosberg nicht verdächtigen.«
    »Weshalb wollten Sie Jimmy nicht verraten? Hatten Sie Angst, dass alles rauskommt und Sie zur Rechenschaft gezogen werden?«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte sie verwundert. »Ich habe doch nichts verbrochen. Wie gesagt, es gab keinerlei konkrete Beweise für das, was Gisela Sachs getan hat. Weshalb sollte ich zur Rechenschaft gezogen werden?«
    »Moralisch war Ihr Verhalten damals wie heute mehr als zweifelhaft. Wenn Sie einen Verdacht gehabt haben, hätten Sie ihn äußern müssen. Und immerhin ist auch Jimmy Vosberg davon ausgegangen, dass Sie über die Sache Bescheid wussten.«
    »Sie können leicht reden«, antwortete Hanka Weichert. »Ich wusste nicht, wovor ich mehr Angst haben sollte. Davor, dass Vosberg noch einmal versucht, mich umzubringen, oder vor den Konsequenzen, falls herauskäme, dass ich damals geschwiegen habe.«
    »Sie sprechen von Ihrem Job als Lehrerin?«
    »Ja.«
    Andresen nickte. Es schien ihm unwahrscheinlich, dass sie jemals wieder an einer Schule unterrichten würde.
    »Wissen Sie, was ich immer noch nicht verstehe, Frau Weichert? Warum sind Sie überhaupt aufs Präsidium gekommen? Sie hätten den Überfall doch einfach verschweigen können?«
    »Wahrscheinlich stand ich noch unter Schock«, antwortete sie. Sie wirkte glaubwürdig in diesem Moment. »Ich war nach dem Überfall völlig neben der Spur. Einerseits wollte ich nicht, dass alles auffliegt, andererseits fühlte ich mich verpflichtet, die Polizei zu informieren. Glauben Sie mir, ich hatte Todesangst, als dieser Irre versucht hat, mich umzubringen.«
    »So schwer kann der Schock ja nicht gewesen sein, wenn Sie uns vorsätzlich nur die halbe Wahrheit erzählen«, stellte Andresen nüchtern fest.
    Er hatte genug gehört und verabschiedete sich von Hanka Weichert, nicht ohne sie darauf hinzuweisen, dass ihre Falschaussage weitere polizeiliche Ermittlungen nach sich ziehen würde.
    Als sie gegangen war, trat Andresen vor das Fenster seines Büros und sah auf den Verkehr rund um den Berliner Platz, der unaufhörlich weiterfloss.
    Das Telefon klingelte. Andresen meldete sich. Er nahm Platz, umklammerte angespannt die Stuhllehne und hörte der ernsten Stimme des Anrufers zu. Der Mann hatte sich als Oberarzt des Uniklinikums vorgestellt.
    Es fiel ihm schwer, dessen Nachricht gefühlsmäßig einzuordnen. Mitleid wollte sich nicht einstellen. Aber auch Freude wollte nicht in ihm aufsteigen, als er realisierte, dass er nicht mehr ins Klinikum fahren musste, um Gisela Sachs zu vernehmen. Sie war Jimmy Vosberg vor einer knappen halben Stunde gefolgt.

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