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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Schlennstedt
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seinem Ohr gezündet. Dennoch kam ihm die Zeit in der Luft ewig vor. Vielleicht lag es an dem Rauschen in seinen Ohren, das während des Sprunges einsetzte. Es hatte ihm ein Gefühl der Schwerelosigkeit vermittelt.
    Andresen landete hart auf dem stählernen Decksboden und knallte mit dem Hinterkopf gegen eine Kante des Schiffaufbaus. Er versuchte sich aufzurappeln, stolperte jedoch und verlor das Gleichgewicht. Erst jetzt sah er, dass Gisela Sachs über der Reling hing und sich vor Schmerzen krümmte. Er hatte sie bei seinem Sprung mit den Füßen am Rücken gestreift. Aber wo war Vosberg?
    Langsam kam Andresen auf die Beine und näherte sich der Reling. Er beugte sich von hinten über Gisela Sachs, blickte über den Schiffsrumpf hinweg in die Trave und erkannte, was geschehen war. Der ohrenbetäubende Knall. Das Blut am Heck des Schiffes und im Wasser. Sie hatte Jimmy Vosberg erschossen.
    Andresen lief bei dem Anblick von Vosberg ein Schauer über den Rücken. Er trieb wenige Meter entfernt leblos im Wasser. Gisela Sachs hatte ihn nicht einfach nur erschossen. Sie hatte ihn förmlich hingerichtet. Mitten ins Gesicht gefeuert.
    Im Augenwinkel sah er den Pistolenlauf auf sich zukommen. Aber zu spät. Er landete direkt an seiner Schläfe. Andresen strauchelte zurück. Sie hatte seine Unaufmerksamkeit genutzt, mit dem rechten Arm ausgeholt und ihm einen empfindlichen Schlag versetzt. Schwerfällig stand er auf und drehte sich zu ihr um. Sie trug lediglich einen durchnässten Bademantel und zitterte vor Unterkühlung. Dennoch grinste sie und richtete die Pistole in seine Richtung.
    »Und nun, Herr Kommissar? Glauben Sie, Ihnen wird es anders ergehen als meinem Jimmy?«
    Andresen schwieg einen Moment. Dann sagte er: »Werfen Sie doch mal einen Blick ans Ufer. Meinen Sie, dass Sie aus dieser Nummer noch rauskommen?«
    Sie sah ihm in die Augen. Ihr Lachen verschwand und machte Platz für Kaltblütigkeit und Wahnsinn. Seine Worte hatten die erhoffte Wirkung offenbar verfehlt. Er wagte einen weiteren Versuch.
    »Haben Sie ihn aus Notwehr erschossen?«, fragte er. »Das würde natürlich alles ändern.«
    Erneut verzogen sich ihre Mundwinkel zu einem leichten Lächeln. Doch der Wahnsinn in ihren Augen blieb. Nichts schien sie mehr aufhalten zu können. Seine Worte erreichten sie nicht.
    Die Veränderung, die Andresen plötzlich spürte, war nur minimal. Aber sie war da. Das Schiff hatte seine Linie verlassen und näherte sich langsam der Kaikante auf der der Altstadt zugewandten Seite. Über ihren Kopf hinweg konnte er erkennen, dass mittlerweile auch Kregel, Sibius und die anderen Kollegen am Ufer standen. Er schätzte, dass es nur noch zehn Meter bis zum Anleger waren. Warum drückte sie nicht ab? Worauf wartete sie noch?
    »Ich habe nichts mehr zu verlieren«, rief Gisela Sachs und zielte jetzt genau auf Andresens Kopf. »Leben Sie wohl, Herr Kommissar!«
    Im nächsten Moment jagten von Landseite mehrere Schüsse durch die Luft. Mindestens einer traf sie im Oberkörper. Ihre Beine gaben nach, und sie sackte zusammen. Die Pistole fiel ihr wie in Zeitlupe aus der Hand.
    Andresen stürzte sich auf sie und legte einen festen Griff an. Seine Handflächen, die nach dem Sturz über die Absperrkette im Fischereihafen noch immer aufgeschürft waren, schmerzten. Vorsichtig drehte er Gisela Sachs um und fixierte sie. Überall war plötzlich Blut. Eine Kugel hatte ihren Hals gestreift. Während sie langsam ihren Kopf zu ihm wandte, schenkte sie ihm ein letztes wahnsinniges Lächeln. Dann schloss sie die Augen.
    Andresen griff nach ihrer Waffe und richtete sich auf. Mit einem Mal gab es einen Stoß, und er verlor das Gleichgewicht. Kopfüber fiel er ins kalte Nass der Trave. Der starke Wind hatte das Schiff auf den letzten Metern an die Kaikante gedrückt und unsanft anschlagen lassen.
    Unter größter Kraftanstrengung versuchte er Halt an der Kaimauer zu finden. Kregel und ein Kollege der Schutzpolizei zogen ihn schließlich aus dem Wasser. Wie ein nasser Sack ließ er sich auf den harten Steinboden fallen.
    Um ihn herum begann das, was immer einsetzte, wenn eine Ermittlung auf diese Weise ihr Ende fand. Wie Ameisen wuselten die Polizeikollegen um ihn herum. Kriminalpolizisten, Schutzpolizisten, die Techniker von der Spurensicherung, die Wasserschutzpolizei und einige Taucher waren mittlerweile eingetroffen. Mehrere Rettungswagen waren vorgefahren und hielten direkt neben dem Schiff. Gisela Sachs wurde auf eine Trage gelegt, an

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