Traveler - Roman
wartete schon ein Hubschrauber auf ihn. Er lief rasch über den Rasen und schwang sich auf den Sitz neben dem Piloten. Während der Hubschrauber sich langsam in die Luft erhob, setzte er seinen Kopfhörer mit Mikrofon auf. Kurz darauf meldete sich Simon Leutner.
»Takawa war vor zwanzig Minuten im Gebäude der Hauptverwaltung. Er hat sich mit Hilfe seines Ausweises Zutritt zur Poststelle verschafft und sechs Minuten später das Gebäude wieder verlassen.«
»Wissen wir, was er dort wollte?«
»Noch nicht, Sir. Aber es wird gerade eine Inventur aller Postsendungen vorgenommen, die sich in dem Raum befunden haben.«
»Suchen Sie mit allen verfügbaren Mitteln nach Takawa. Ein paar Ihrer Leute sollen sich die Bewegungen auf seinen Privatkonten ansehen.«
»Ist schon geschehen. Er hat gestern sein gesamtes Sparguthaben abgehoben.«
»Überprüfen Sie unbedingt die Buchungslisten für sämtliche Flüge, die heute in der Nähe von New York starten.«
»Jawohl.«
»Konzentrieren Sie sich aber vor allem auf den Standort seines Autos. Das ist momentan unser größter Trumpf. Takawa fährt irgendwohin, aber ich glaube, er weiß nicht, dass wir nach ihm suchen.«
Boone schaute aus dem Hubschrauberfenster. Er sah die zweispurigen Straßen von Westchester County und in der Ferne den New York State Thruway. Fahrzeuge fuhren in verschiedene Richtungen. Ein Schulbus. Ein FedEx-Zustellauto. Ein grüner Sportwagen, der immer wieder überholte.
Anfangs hatten die Leute beim Autokauf für ein GPS-Navigationssystem viel Geld zusätzlich ausgeben müssen, aber inzwischen gehörte bei vielen Wagen ein solches Gerät zur serienmäßigen Ausstattung. Das GPS wies dem Fahrer den Weg und half der Polizei bei der Suche nach gestohlenen Autos, aber es verwandelte auch jeden Wagen in ein Zielobjekt, das vom System problemlos lokalisiert werden konnte.
Den meisten Bürgern war nicht bewusst, dass in ihr Auto auch eine Art Blackbox eingebaut war, die, wenn nötig, verriet, was in den Sekunden vor einem Unfall passiert war. Reifenhersteller bauten einen Mikrochip in die Gummimäntel ein, der per Funk abgefragt werden konnte. Durch den Chip wurde der jeweilige Reifen der Fahrgestellnummer des Autos und dem Namen des Fahrzeughalters zugeordnet.
Während der Hubschrauber an Höhe gewann, drang das Londoner Computerteam der Bruderschaft in passwortgeschützte Datensysteme ein. Wie digitale Geister glitten sie
durch Wände und inspizierten Lagerräume. Die Außenwelt wirkte unverändert, aber die Geister sahen die verborgenen Türme und Mauern des virtuellen Panopticons.
Als Lawrence aus dem Queens-Midtown-Tunnel herausfuhr, fiel starker Regen. Die Tropfen klatschten auf die Straße und prasselten auf das Wagendach. Der Verkehr kam völlig zum Erliegen und kroch dann vorwärts wie eine erschöpfte Armee. Zusammen mit etlichen anderen Fahrern nahm er die Abfahrt zum Grand Central Parkway. Er beobachtete, wie der Wind in der Ferne Regenschleier vor sich hertrieb.
Er musste noch eine Sache erledigen, ehe er in der Wildnis verschwand. Den Blick auf die Bremslichter des Wagens vor ihm gerichtet, wählte Lawrence die Telefonnummer, die ihm Linden bei ihrer Begegnung in Paris für Notfälle gegeben hatte. Es klingelte; dann schaltete sich ein Anrufbeantworter ein, und eine Stimme informierte ihn über Angebote für Wochenendreisen nach Spanien. »Hinterlassen Sie bitte eine Nachricht, wir rufen Sie zurück.«
»Hier spricht Ihr Freund aus Amerika«, sagte Lawrence und nannte Datum und Uhrzeit. »Ich bin im Begriff, einen sehr langen Urlaub anzutreten, und werde anschließend nicht nach Hause zurückkehren. Sie sollten sich darauf einstellen, dass meine Firma von meiner Zusammenarbeit mit einem Konkurrenzunternehmen weiß. Das bedeutet, dass man meine gesamte Korrespondenz und alle meine Recherchen im Computersystem überprüfen wird. Ich verabschiede mich aus dem Raster, doch Sie können davon ausgehen, dass der ältere Bruder im Forschungszentrum bleiben wird. Das Experiment verläuft bisher erfolgreich …«
Das muss genügen, dachte er. Belass es dabei. Aber er wollte noch ein paar persönliche Abschiedsworte hinzufügen. »Viel Glück. Es war mir eine Ehre, Sie kennen gelernt zu haben. Ich hoffe, dass Sie und Ihre Freunde überleben.«
Lawrence drückte auf einen der Knöpfe in der Armlehne, und das Seitenfenster glitt herab. Regentropfen wehten ins Auto, streiften sein Gesicht und seine Hände. Er ließ das Handy auf die Straße
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