Traveler - Roman
ausgeholfen.«
Maya fragte sich, ob Hollis genauso reagiert hätte, wenn Vicki nicht neben ihm stehen würde. Wenn man einen anderen Menschen gern hatte, wurde man dumm und angreifbar. Hollis wollte vor der jungen Frau den edlen Helden spielen.
»Sie haben mir geholfen, Gabriel zu finden. Ich bezahle Sie für die geleistete Arbeit.«
»Und das war’s dann?«
»Ja. Der Vertrag ist hiermit aufgelöst.«
»Ach, Maya, kommen Sie! Die Tabula wird nicht aufgeben.
Sie wird weiter nach Ihnen und Gabriel suchen. Wenn Sie sie wirklich täuschen wollen, sollten Sie ein paar falsche Informationen streuen. Lassen Sie es so aussehen, als wären Sie immer noch in Los Angeles.«
»Und wie soll das funktionieren?«
»Ich habe da ein paar Ideen.« Hollis warf Vicki einen Blick zu. Ja, sie beobachtete ihn. »Ihr Harlequins bezahlt mir fünftausend Dollar? Dann werde ich noch drei weitere Tage für euch arbeiten.«
SIEBENUNDZWANZIG
A m nächsten Morgen stand Vicki früh auf und machte Kaffee und Brötchen für die anderen. Nach dem Frühstück gingen sie nach draußen. Hollis inspizierte Mayas Lieferwagen. Er goß einen Viertelliter Öl ins Kurbelgehäuse und ersetzte die Nummernschilder gegen die eines schrottreifen Autos, das einem Nachbarn gehörte. Anschließend durchwühlte er seine Schränke und versorgte sie mit dem Nötigen: Wasserflaschen aus Plastik, Ersatzkleidung für Gabriel, einen länglichen Pappkarton, in dem sie das Gewehr verstecken konnten, sowie eine Straßenkarte, mit der sie bis ins südliche Arizona kämen.
Maya schlug vor, das Motorrad hinten im Lieferwagen zu transportieren – wenigstens, bis sie Kalifornien verlassen hätten. Aber Gabriel verwarf die Idee. »Sie übertreiben. Zur Stunde sind auf den Highways von Los Angeles über einhunderttausend Fahrzeuge unterwegs. Ich sehe nicht, wie die Tabula mich da entdecken sollte.«
»Es ist kein menschliches Wesen, das die Suche durchführt. Die Tabula kann sich Zugang zu den Überwachungskameras verschaffen, die neben den Autobahnschildern hängen. In diesem Augenblick durchforstet ein Scannerprogramm alle Bilder nach Ihrem Nummernschild.«
Nachdem sie fünf Minuten lang debattiert hatten, holte Hollis ein Nylonseil aus der Garage, mit dem er Gabriels Rucksack hinten auf dem Motorrad festzurrte. Es sah nach einer nachlässigen, improvisierten Weise aus, einen Rucksack zu befördern, aber gleichzeitig wurde das Nummernschild
verdeckt. Gabriel nickte und trat auf den Kickstarter der Maschine, während Maya in den Lieferwagen kletterte. Sie kurbelte das Seitenfenster herunter und nickte Vicki und Hollis zu.
Mittlerweile hatte Vicki sich an die Umgangsformen der Harlequins gewöhnt. Maya schien Schwierigkeiten damit zu haben, »danke« oder »auf Wiedersehen« zu sagen. Vielleicht lag ihrem Verhalten nur Unhöflichkeit oder übertriebener Stolz zugrunde; Vicki glaubte jedoch, dass es noch einen anderen Grund gab. Harlequins hatten eine schwere Aufgabe übernommen: ihr Leben für das der Traveler einzusetzen. Eine Freundschaft mit einem Menschen außerhalb ihrer Welt einzugehen, würde eine zusätzliche Last bedeuten. Aus diesem Grund bevorzugten sie Söldner, die man benutzen und austauschen konnte.
»Sie sollten von jetzt an sehr vorsichtig sein«, sagte Maya zu Hollis. »Die Tabula hat ein System entwickelt, mit der sie elektronischen Transaktionen nachgehen kann. Außerdem experimentiert sie mit Splicers – genetisch veränderten Tieren, die auf das Töten von Menschen abgerichtet sind. Die beste Strategie ist, sich diszipliniert, aber unberechenbar zu verhalten. Die Tabula-Computer haben Probleme mit Gleichungen, in denen zufällige Unbekannte auftauchen.«
»Schicken Sie mir einfach nur das Geld«, antwortete Hollis. »Machen Sie sich um mich keine Sorgen.«
Hollis stieß das Tor zur Straße auf. Gabriel fuhr als Erster hinaus, Maya folgte ihm. Der Lieferwagen und das Motorrad rollten langsam bis zum Ende der Straße, bogen um die Ecke und waren verschwunden.
»Was glaubst du?«, fragte Vicki. »Werden sie durchkommen?«
Hollis zuckte die Schultern. »Gabriel hat ein sehr eigenständiges Leben geführt. Ich weiß nicht, ob er von einem Harlequin Anweisungen entgegennehmen wird.«
»Und wie denkst du über Maya?«
»Da unten in Brasilien trittst du vor einem Zweikampf in den Ring und schaust deinem Gegner tief in die Augen, während der Schiedsrichter euch vorstellt. Manche Leute sind der Ansicht, der Kampf sei in diesem Moment bereits
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