Traveler - Roman
nächsten Tag zog er einen blauen Overall an und nahm den Mop und den Eimer auf Rädern, mit denen er immer den Fußboden des Studios wischte. Der Appartement-Komplex erstreckte sich ab der Kreuzung Wilshire Boulevard und Barrington Avenue über einen ganzen Straßenzug. Er bestand aus drei Hochhäusern, einem vierstöckigen Parkhaus und einem großen Innenhof mit Pool und Tennisplätzen.
Keine Unüberlegtheiten, ermahnte Hollis sich. Du willst dich nicht mit den Tabula-Söldnern anlegen, sondern ihnen ein Schnippchen schlagen. Er stellte seinen Wagen mehrere hundert Meter vom Eingang ab, füllte den Eimer auf Rädern mit Seifenlauge aus zwei mitgebrachten Plastikkanistern,
tauchte den Mopp ins Wasser und schob den Eimer den Bürgersteig entlang. Als er sich dem Eingang des Komplexes näherte, bemühte er sich, wie ein Mann vom Reinigungspersonal zu denken – spiel die Rolle überzeugend.
Als er den Eingang erreichte, kamen gerade zwei alte Damen heraus. »Eben hab ich den Fußweg gewischt«, sagte er zu ihnen. »Und jetzt hat irgendjemand in einem Flur eine Sauerei angerichtet.«
»Manchen Leuten müsste man wirklich Benehmen beibringen«, meinte eine der Frauen. Ihre Begleiterin hielt Hollis die Tür auf.
Hollis nickte dankend und lächelte, als die beiden alten Damen sich entfernten. Er wartete noch ein paar Sekunden, dann ging er zu den Fahrstühlen. Ein Aufzug kam, und er fuhr hinauf in den siebten Stock. Michael Corrigans Wohnung lag am Ende des Flurs.
Falls die Männer der Tabula in der Wohnung gegenüber auf der Lauer lagen und ihn durch den Spion sahen, müsste er sofort die nötigen Lügen parat haben. Mr. Corrigan bezahlt mich dafür, dass ich bei ihm putze. Ja, Sir. Einmal pro Woche. Wohnt Mr. Corrigan nicht mehr hier? Das wusste ich nicht, Sir. Ich habe schon seit einem Monat kein Geld mehr bekommen.
Mit dem Schlüssel, den Gabriel ihm gegeben hatte, schloss er die Tür auf. Ehe er die Wohnung betrat, bereitete er sich innerlich gegen einen Angriff vor, aber nichts passierte. Die Luft in der Wohnung war stickig. Auf dem Couchtisch lag eine Ausgabe des Wall Street Journal von vergangener Woche. Hollis ließ Eimer und Mopp bei der Wohnungstür stehen und ging ins Schlafzimmer. Er nahm das Telefon, holte einen Minikassettenrecorder aus der Tasche und wählte Maggie Resnicks Privatnummer. Die Anwältin war nicht zu Hause, aber Hollis wollte sowieso nicht mit ihr sprechen. Er war überzeugt, dass die Tabula den Anschluss anzapfte. Als Maggies
Anrufbeantworter ansprang, hielt Hollis den Kassettenrecorder an die Sprechmuschel, und beim Piepton schaltete er ihn ein.
»Hi, Maggie. Ich bin’s, Gabe. Ich verschwinde aus LA und suche mir irgendwo ein sicheres Versteck. Vielen Dank für alles. Tschüs.«
Hollis legte auf, schaltete den Kassettenrecorder aus und verließ rasch die Wohnung. Während er den Eimer den Flur entlangschob, war er extrem angespannt, aber das änderte sich, als sich die Türen eines Fahrstuhls öffneten und er die Kabine betrat. Okay, dachte er. Das war doch ein Kinderspiel. Vergiss nicht, du bist immer noch der Mann vom Reinigungspersonal.
Unten in der Eingangshalle angekommen, schob Hollis den Eimer aus der Fahrstuhlkabine und nickte einem jungen Paar mit einem Cockerspaniel zu. Die Eingangstür ging auf, und drei Tabula-Söldner kamen hereingestürmt. Sie wirkten wie Polizisten bei einem dringenden Einsatz. Einer der Männer trug eine Jeansjacke, seine beiden Begleiter waren als Maler verkleidet. Bei den Malern war jeweils eine Hand durch einen Lappen verdeckt.
Hollis beachtete die an ihm vorbeihastenden Söldner überhaupt nicht. Er war nur noch anderthalb Meter vom Ausgang entfernt, als ein älterer Latino durch die Tür kam, die zum Innenhof führte. »He, was machen Sie hier?«, fragte er Hollis.
»Im Flur vom vierten Stock hat jemand eine Flasche Johannisbeersaft fallen lassen. Ich hab das gerade in Ordnung gebracht.«
»Wieso hat mir das keiner gesagt?«
»Ist erst vor einer halben Stunde passiert.« Hollis hatte inzwischen die Tür erreicht und berührte schon fast die Klinke.
»Übrigens – für so was ist doch Freddy zuständig, oder? Für wen arbeiten Sie eigentlich?«
»Ich bin von Mr. Regal –«
Aber ehe Hollis den Satz beenden konnte, spürte er, wie von hinten jemand an ihn herantrat und ihm einen Pistolenlauf in den Rücken drückte.
»Er arbeitet für uns«, sagte eine Männerstimme.
»Stimmt«, sagte ein anderer Mann. »Und er ist noch nicht
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