Treibland
zu irgendjemandem genau diese Worte gesagt? So weit gekommen, dachte er, und jetzt diese Schande. Dann packte er sie am Arm und zerrte sie zum dunklen Schuppen, den sie als Maintenance Point bezeichnet hatte. Er drängte sie hinein, während sie offensichtlich auf eine Gelegenheit lauerte, ihm ihrerseits die Waffe zu entreißen. Dann fand er ein Abschleppseil und fesselte sie damit an einen Stützbalken. Palsteg, Webleinsteg, war ja nicht so, dass er nicht auch mal versucht hätte, den Sportbootführerschein zu machen, als er nach Hamburg gekommen war.
«Es tut mir leid», sagte er. «Sie haben mir sehr geholfen. Ich hoffe, morgen verstehen Sie das alles.»
Sie sah ihn an und sagte nichts. Er ging hinaus und verschloss die Schuppentür von außen mit einem Harkenstiel.
48 . Kapitel
Er ging über das Fairway und lauschte dem entfernten Rauschen der Frühlingsnacht, das er gleich gegen die Stimme von Wilken Peters tauschen würde. Denn der nimmt ab, dachte Danowski. In dieser Nacht, nachdem an Bord das Chaos ausgebrochen ist und der Pestbulle in die Elbe gesprungen ist: In dieser Nacht nimmt der jeden Anruf entgegen.
Die Schrotflinte war schwer, drei bis vier Kilo, schätzte er. Er fummelte den Zettel aus der fusseligen Jackentasche von Carsten Lorsch und tippte im Gehen die Nummer von Peters ein.
«Hallo?»
«Danowski hier. Ich möchte Sie zu einem Gespräch einladen, Herr Peters.»
Eine Pause voller Zwischentöne. Dann, aufgeräumt: «Oh, das wird nicht gehen. Aber Ihre Kollegen suchen nach Ihnen, wir haben das gerade in der Telko vom Krisenstab besprochen.»
«Mit den Impfungen so weit alles im Plan?»
«Was wollen Sie, Herr Danowski?»
«Dass Sie zu Ihrem Golfclub fahren. Und sich mit mir im Clubraum treffen. Um meine Fragen zu beantworten. Oder zu bestätigen, was ich vermute.»
«Und weshalb sollte ich das tun?»
«Weil ich Ihr Video habe.»
«Herr Danowski, es geht auf eins, wir haben morgen einen harten Tag vor uns, und damit meine ich nicht Sie. Sie sollten sich den Behörden stellen.»
«Sie sollten mal ein Stimmtraining machen, Herr Peters. Sie klingen so flach.»
«Welches Video?»
«Zeitverschwendung. Nicht mehr solche Fragen. Das Video von Steenkamp. Machen Sie sich auf den Weg. Ich erwarte Sie.» Er schaltete das Handy aus und ging weiter Richtung Clubhaus, das sich aus der Dunkelheit schälte wie ein Geisterschiff aus einer Nebelbank.
Er brach durch ein Kellerfenster ein, machte wenig Licht an und fand den Raum unter dem Restaurant. Es roch nach Polstermöbeln, Leergut und Herrenwitzen. Der niedrige, dunkel getäfelte Raum sah aus wie ein Museum der untergegangenen Medien: an der Wand eine stillgelegte Jukebox, ein Röhrenfernseher mit Holzrahmen, ein klobiger Zeitschriftenständer mit alten Ausgaben von
Geo
und
Capital
, und unter dem Fernseher tatsächlich ein Videorecorder. Rechts und links neben dem Zeitschriftenständer zwei Ledersessel, die Richtung Fernseher gestellt waren. Eine Reihe von vielleicht zwanzig oder dreißig VHS -Kassetten auf einer Ablagefläche unter dem Fernseher.
Wolka Jordanova war zu jung, um darauf zu kommen, dass ein Video auch einfach eine alte Kassette sein konnte und keine Datei auf einer Festplatte oder in der Cloud.
Auf den Rückenetiketten stand in zwei oder drei Handschriften verblichenes Zeug wie «Sommer Open ’ 81 », «Charity ’ 83 » oder «Frühjahrsturnier ’ 79 ». Wenn dieses Video sich hier versteckte, woran würde man es dann erkennen? An gar nichts. Aber Peters wusste ja, welches es sein musste. Wenn Danowski recht hatte. Und falls nicht und sein Bluff flog auf, dann war sowieso alles egal.
Er hörte, wie oben die Tür aufgeschlossen wurde. Kein Wunder, dass Peters einen Schlüssel hatte. Männer wie der durften überall rein. Dann Schritte auf der gekachelten Treppe ins Souterrain. Danowski stellte sich mit dem Rücken zur Wand und richtete die Schrotflinte auf die Tür des Clubraums. Als Peters hereinkam, war er im Grunde angezogen wie Danowski beziehungsweise Lorsch, und er sah auch nicht viel ausgeruhter aus.
«Und, sind Sie auf Ihre Kosten gekommen?», fragte Danowski, statt ihn zu begrüßen. Mit dem Lauf der Schrotflinte wies er ihm einen Platz vor dem Fernseher zu. Peters ließ sich mit einem unwillkürlichen Seufzen nieder und sagte: «Darum geht es doch gar nicht.»
«Sondern?»
«Am Ende ist eine Schutzimpfung gegen tropische Viren unabdingbar und nicht schädlich. Auch in unseren Breiten. Durch die globale
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