Treibland
nicht doch auf einen trunkenen Irrweg schickte, gewissermaßen mit schönem Gruß aus dem Koma.
«Das kann ich Ihnen erzählen», sagte sie vage, und dann, mit veränderter, müder Stimme: «Vor allem Cay Steenkamp kenne ich leider gut.»
«Geben Sie mir die Adresse», sagte er. «Und sagen Sie mir, wo wir uns treffen.»
«Zwischen dem zehnten und elften Loch ist ein Maintenance Point. Da ist eine Anhöhe, da sitze ich auf einem mobilen Hochstuhl.»
«Meine Güte», sagte Danowski. «Und ich weiß nicht, was ein Maintenance Point ist.»
«Das zehnte oder elfte Loch finden Sie», sagte sie. Finzi, dachte Danowski, würde jetzt sagen: Verlassen Sie sich drauf, dass ich immer das richtige Loch finde. Dann legte sie auf.
«Dreiviertelstunde», sagte Kathrin Lorsch. «Ich weiß, wo der Golfplatz ist.»
Sie stieg aus der Kajüte, und wenig später hörte er, wie die Leinen aufs Deck fielen, und dann, wie der Außenbordmotor durch die Dunkelheit sägte. Er überlegte einen Moment, ob er ihr helfen konnte. Dann lehnte er sich in die unbequemen, aber heimeligen Polster der Kajütenbank. Er nahm Kathrin Lorschs Telefon und wählte noch einmal die Nummer seines eigenen Zuhauses. Mitternacht durch.
Nach dem dritten Klingeln nahm jemand so entschieden ab, dass Danowski zurückprallte.
«Ja?» Eine Männerstimme an seinem Festnetztelefon in Bahrenfeld. Er sagte nichts. Und beim zweiten «Ja?» erkannte er Behlings nasales Timbre.
«Knud? Was machst du in meiner Wohnung?»
«Adam. Was machst du überhaupt irgendwo? Wir suchen dich. Wir denken, du bist ertrunken. Die Wasserschutzpolizei hat nur noch deine Perücke gefunden. Wo bist du?»
«Kann ich mit Leslie sprechen?»
«Nein. Leslie und die Kinder sind nicht hier.»
«Wo sind sie, Knud? Warum geht Leslie nicht ran?»
«Wir konnten hier heute Nacht niemanden in der Wohnung lassen, Adam. Ich verrate dir vermutlich kein Geheimnis, wenn ich dir sage, dass wir uns hier auf einen Zugriff vorbereiten. Für den Fall, dass du nach Hause kommst. Du hast dich allerhand Dienstanweisungen widersetzt, dich einer richterlich angeordneten amtsärztlichen Evaluation entzogen, und was am schlimmsten ist: gegen die Quarantäneauflagen verstoßen. Hinzu kommt gefährlicher Eingriff in den Schiffsverkehr. Es hört nicht auf mit dir, was.»
«Weck Habernis oder besser gleich einen Richter, ich brauch einen Haftbefehl.»
«Was?» Wääs.
«Der Richter soll sich nur schon mal bereithalten. Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr: Haftgründe genug. Dringender Tatverdacht auf …» Danowski überlegte kurz. Die drei Impftoten gingen definitiv auf das Konto derer, die sich verschworen hatten, schadhaften Impfstoff an die Stadt zu verkaufen. Ebenso Maik. Ob man am Ende Carsten Lorsch, Kristina Ehlers, Simone Bender und den Schiffsarzt auch noch mit einrechnen konnte, würde sich zeigen. «… wenigstens vorsätzliche fahrlässige Tötung in mindestens drei Fällen, Anstiftung zum Mord in einem Fall, Nötigung, Körperverletzung, vielleicht noch mehr.»
«Ach, Adam. Das ist schon wieder so wirr. Lass uns doch in Ruhe darüber reden.»
«Glaubst du, ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis ihr diese Handynummer geortet habt? Tschüs, Knud.»
«Tschüssing, Adam.» Das brachte der tatsächlich noch unter, bevor Danowski auflegen konnte.
Wenn Leslie mit den Kindern irgendwo war, wohin sie freiwillig gegangen war, dann war sie bei ihrer Schwester Jenna in Eidelstedt. An die Nummer würde er sich mit ein bisschen Gewalt erinnern können. Aber wollte er wirklich wissen, ob Behling gelogen hatte und was in Wahrheit mit Leslie war?
Ja. Aber das Telefon war unbrauchbar. Sie hatten jetzt die Nummer und konnten ihn orten, solange es an war. Und wenn sie ihn fanden, würden sie ihn zurück aufs Schiff bringen oder wegsperren, und auf keinen Fall würde sie interessieren, was er zu erzählen hatte. Um das zu beweisen, brauchte er nichts weniger als Zeugen, am besten ein Geständnis von Peters oder Steenkamp.
Er ging an Deck und stellte sich schweigend hinter Kathrin Lorsch. Vor ihnen tauchte der Fähranleger Teufelsbrück aus dem Nebel auf. Treibland, dachte Danowski. Ich weiß nur nicht, wo es anfängt und wo es aufhört.
«Warum haben Sie Ihrem Mann damals einen Nagel mit auf die Reise gegeben?», fragte er sie, während sie sich bemühte, das Boot nicht zu hart gegen den Steg zu setzen.
«Der Nagel sollte ihn mit dem Fetisch verbinden», sagte sie und deutete ihm mit dem Kinn den Weg zum Steg.
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