Trias
wenig vorbereitet wie ein Autofahrer auf Blitzeis. Er schrak ein wenig zusammen und umkurvte vorsichtshalber ein Statement mit einer Gegenfrage.
»Ich möchte eher Sie etwas fragen: Derzeit üben Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International, die Liga für bedrohte Völker und die russische Sektion der Liga für Menschenrechte massive Kritik an Moskau wegen der Verhaftung der gesamten Spitzenvertreter der Sibirien-Kommission. Sie sitzen unschuldig in Haft. Mittlerweile dürfte es sich bis zu Präsident Semjonow herumgesprochen haben, dass der chinesische Geheimdienst MSS hinter dem Anschlag auf Kirijenko und der Zerstörung des Flüssiggas-Terminals auf Sachalin steckte. Machen Sie Ihren Einfluss geltend, dass die Aktivisten um Oleg Grischenko freikommen? Moskau und durch Trias auch wir müssen zukünftig scharfe Kritiker an unserer Rohstoffpolitik aushalten können.«
Sprado nickte Außenminister Kohlhoff zu, der sich eilfertig eine Notiz machte. Ohne einen weiteren Kommentar verließ die Kanzlerin erhobenen Hauptes den Raum. Das Stimmengewirr aufgeregter Diskussionen verfolgte sie bis in ihr Dienstzimmer.
Als das Licht im Büro der Kanzlerin erlosch, war es schon spät am Abend. Längst waren ihre Gäste gegangen, aber ihr Ehemann war gekommen.
»Das war heute ein sehr merkwürdiger Tag«, sinnierte sie.
Der Physiker sah sie aufmerksam an.
»Es kam genau so, wie ich es mir dachte. Ein kollektiver Aufschrei gegen die Zusammenlegung der Geheimdienste. Die Wölfe glauben, aus ihren angestammten Jagdgebieten vertrieben zu werden.«
»Du musst weiter vorsichtig agieren«, empfahl ihr Mann. Er hielt einen Themenwechsel für angebracht. »Wann waren wir eigentlich das letzte Mal tanzen?«
Sie dachte nach und bohrte sich den Finger in die Stirn, bis sie schmerzte. Ihr Mann sah an die Decke, die mit Holz verkleidet war.
»Vor zwanzig Jahren?«, überlegte sie laut. »In Palma de Mallorca? Mit Manuel, seiner Frau und ihren beiden schwulen Freunden?«
»Dann werden wir um die Weihnachtszeit nach Palma fliegen und dort tanzen gehen. Was sagst du?«
Sie hielt den Kopf schräg.
»Was du für Ideen hast.«
Er half ihr in den Mantel, sie stiegen in den Lift, traten vor die Tür und sogen die kalte Berliner Luft ein. Sie war dunstig und roch nach Regen; vereinzelt fielen sogar schon Tropfen. Als die gepanzerte Limousine vorgefahren war, sackte sie mit einem leisen Stöhnen in die champagnerfarbenen Ledersitze. Wenige Fahrminuten später hielt der Wagen vor ihrem Wohnhaus; ihr Ehemann sprang als Erster aus dem Wagen und hielt ihr die Autotür auf. Er ergriff ihre Hand und zog sie sachte an sich. Sie gingen durch die Tür. Kurz darauf leuchtete hinter den gepanzerten Fensterscheiben ihrer lang gestreckten Wohnetage die Zimmerbeleuchtung auf.
In etwa 200 Metern Entfernung stand ein Mann von Ende dreißig mit einem hoch lichtempfindlichen Fernglas hinter den verdunkelten Fenstern einer konspirativen Wohnung in einem viergeschossigen Wohnhaus. Er trug eine Art schwarze Anglerweste mit vielen kleinen und zwei größeren eingenähten Taschen. Er sah zur Kanzlerwohnung hinüber. Der Mann strich mit den Objektiven über die angrenzenden Straßen, die geparkten Einsatzfahrzeuge des Personenschutzes und einen Nebeneingang des Hauses. Er setzte das Fernglas ab. Der Späher, ein indianischer Typ mit schwarzen Haaren, dunklen, schräg stehenden Augen und platter Nase, zog die Gardinen vor die Scheiben und öffnete ein Futteral, das über seiner Schulter hing. Ihm entnahm er ein Nachtsichtzielgerät, schob die Gardinen erneut vorsichtig beiseite und hielt es sich vor das rechte Auge. Ein Fadenkreuz wurde sichtbar, das die Fenster seiner Zielwohnung so nahe rückte, dass er die Details der Einrichtung erkannte. Eine Tür öffnete sich, durch die das Kanzlerehepaar nacheinander geschritten kam. Er hatte Lydia Sprado jetzt so gut im Visier, dass er mit seiner Waffe nur noch abzudrücken brauchte. Ein kaum hörbares technisches Fiepen ertönte. Der Unbekannte griff in eine der kleineren Taschen seiner Weste und hielt einen Pager in der Hand. Eine Nachricht in englischer Sprache: Operation Hexagon has begun. Der Mann verließ die konspirative Wohnung so leise, wie er gekommen war.
DANKSAGUNG
Mein besonderer Dank gilt meiner engsten Familie und jenen Freunden, die Geduld bewiesen und auch in bewegten Zeiten an meiner Seite blieben.
Gedanken und Dank an David Jenning, Roman Haintl und Philip M. Jakobs; Dr. Bertold Höcker,
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