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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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Geschwindigkeitsbegrenzungen gehalten hatte, weil er dem Verkehr auf den Straßen Ostsachsens misstraute. Er wusste, dass vor allem junge Autofahrer gerne die Golfs, Opels und Fords älterer Baujahre frisierten und mit ihnen über die Straßen jagten, als seien sie auf der Flucht vor der eigenen Gegenwart.
    Missmutig blickte er durch die Scheibe auf die feuchte Straße vor ihm. Sie fuhren nun zügiger. Nach weniger als 500 Metern lief die B 115 auf einen Kreisverkehr zu, von dem aus man nach Breslau in Polen und in die Städte Niesky und Görlitz gelangte. Der gepanzerte Audi fuhr halb rechts weiter, folgte der Zielbeschilderung und überfuhr wenige Meter später einen unbeschrankten Bahnübergang.
    Die Reifen schlugen dumpf gegen die Stahlschienen, als sie das unbedeutende Hindernis passierten. Der Fahrer balancierte den Wagen so geschickt aus, dass er trotz des Aquaplanings in seiner Spur blieb.
    Ein entgegenkommender Polizeiwagen fuhr mit grellem Nebellicht. Kurz darauf trödelte ihnen ein grauer Transporter entgegen.
    »Noch zwei Kilometer«, sagte der Fahrer zu Rumpfs Referent und wies dabei nach vorne, wo schon die Neonlichter des Görlitzer Einkaufszentrums die Einfahrt zur Stadt kalt beleuchteten. Links und rechts hatte sich der Nebel etwas verzogen und hinterließ zwischen den Zweigen der dunklen Fichten weiße Waben, so leicht wie die Netze von Spinnen.
    In Sichtweite der Ortseinfahrt erfassten die Scheinwerfer neben der Fahrbahn einen einsamen grauen Müllcontainer, der an der Front merkwürdig verspiegelt war und aus der heraus ein greller roter Punkt aufleuchtete.
    »Eine Radarfalle«, bemerkte der Referent.
    Außenamts-Staatssekretär Rumpf hob träge den Kopf. Plötzlich rumpelte es unter dem Wagen, als seien die Reifen über lose Steine gefahren. Zeitgleich passierten sie den grauen Container - der einen Wimpernschlag später eine gewaltige Explosion auslöste.
    Der Audi stieg einen halben Meter in die Höhe, die Beifahrerseite riss auf. Der Wagen kippte über das Dach auf die Motorhaube und schlug mit ungeheurem Getöse auf den Asphalt. Obwohl sie angeschnallt waren, riss es den Staatssekretär, seinen Referenten und den Fahrer aus den Sitzen. Ihre Köpfe prallten gegen Front- und Seitenscheiben, die dem ersten Überschlag standgehalten hatten. Aus ihren Nasen und Mündern schossen Blut und Sekrete. Der Tank riss in seiner ganzen Breite auf, und dort, wo das Benzin ausgelaufen war, entzündeten sich die Rinnsale mit einem böse knisternden Geräusch.
    Die nächste Explosion hob das brennende Auto so kerzengerade in die Luft, als zöge Gott an einem Seil. Der Wagen schmierte nach unten ab, schoss auf die Straße und schlitterte als bizarrer Klumpen Blech in den Graben zwischen Asphalt und Fichtenwald. Flammen schlugen meterhoch aus deformierten Sitzen und gebrochenen Armaturen. Blitzschnell verschmolz menschliches Fleisch mit Kunststoff, Plastik und Leder.
    Jetzt ergriff das Feuer auch die straßennahen Bäume, die mit ihren brennenden Zweigen flackernde Schatten auf die dramatische Szene warfen. Aufsteigender gelber Qualm vermengte sich mit dem Nebel zu einem giftigen Gemisch. Die Überreste des Autos und seiner Insassen wehten träge in den dichten Wald und blieben wie die Flocken nasser Papiertaschentücher an den Nadeln der Bäume kleben.

2
    Luftraum über Kirow, Wolgagebiet, östliches Russland, gleicher Tag, 19:45 Uhr Ortszeit
    Die zweimotorige Cessna war mit sechs Passagieren bis auf den letzten Platz besetzt. Viktor Kirijenko, der stellvertretende Außenminister Russlands, schien nicht gerade in bester Stimmung zu sein.
    »Niesen Sie gefälligst woandershin, Sie Trottel«, knurrte er seinen Sitznachbarn an, einen Abteilungsleiter im russischen Energieministerium.
    Tröpfchen waren bis auf seine Papiere geflogen, die er bis zur Ankunft in Moskau durcharbeiten wollte. Kirijenko strich mit nikotinverfärbten Fingern die Nässe weg, dann lehnte er den massigen Kopf mit dem kahl rasierten Schädel zurück. Mit seiner stark untersetzten Statur passte er gerade so in den eher schmalen Sitz.
    Er spürte ein inneres Frösteln.
    Es war eisig gewesen da draußen in der Baracke auf dem Ölfeld. Eisig war es aber auch bei seinen Gesprächen mit den Vertretern der Sibirien-Kommission zugegangen. Das Treffen zwischen russischen Regierungsvertretern und den selbst ernannten Wächtern über die Rohstoff-Vorräte Sibiriens war lange verabredet gewesen, aber von Moskau absichtlich immer wieder blockiert worden.

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