Tribunal
einer Straftat handelt.«
Löffke grinste. So kannte er seinen Kompagnon.
»Was bezwecken Sie?«, fragte Stephan misstrauisch. »Warum wechseln Sie jetzt die Seite?«
»Bei Lichte besehen bin ich gar nicht mehr erpressbar«, antwortete Löffke ruhig. »Die falschen Rechnungen sind korrigiert und im Bunker ist es zu einer Auseinandersetzung gekommen, in deren Verlauf Büllesbach zufällig zu Tode gekommen ist. Das ist nun einmal die Wahrheit. Und weder ich noch Frodeleit werden in dieser Hinsicht etwas anderes behaupten oder den jeweils anderen bezichtigen. Dort bleibt alles so, wie es von der Polizei protokolliert worden ist.«
»Auch ein Gleichgewicht des Schreckens«, fiel Marie ein.
»Nun, ja!« Löffke lächelte. »Sie dürfen nicht alles so bedeutungsschwanger machen! Außerhalb der Stollengeschichte bin ich, wenn man so will, das Zünglein an der Waage der Wahrheit. Zu wem ich halte, zu dessen Gunsten geht es gut aus.«
»Sie kotzen mich an«, rief Marie barsch.
»Sie sehen mich immer so negativ, Frau Schwarz. Dabei sollten Sie dankbar sein, dass ich mich auf Ihre Seite stelle – und das aus ganz ehrenhaften Motiven. Frodeleit hat sich ja nicht versteckt, Frau Schwarz! Er wollte erkannt werden. Und er wollte, dass Sie, Herr Knobel, in sein Haus kommen. Alles war so gewollt. Sie sollten sich strafbar machen, damit er Sie in Schach halten kann. Ich selbst bin doch eigentlich außen vor. Rechtlich habe ich doch kein Interesse, mich auf die eine oder die andere Seite zu schlagen. Ich tue es allein aus der Erkenntnis heraus, dass es nicht gut ist, einen Herrn Frodeleit weiter zu unterstützen. Er darf nicht weiterkommen. Und ich tue es selbstverständlich, da kann ich Dörthe nur recht geben, um unserer Kanzlei willen. Ich kann mir doch denken, dass Sie gehen wollen, Herr Knobel. Darum haben Sie Frau Schwarz mitgebracht, stimmt’s? Aber das will ich doch gar nicht. Ich will mit Ihnen weitermachen. Karrieremäßig wäre Ihr Fortgang für mich doch gar nicht schlecht. Wenn Sie ausscheiden, heißt die Kanzlei nicht mehr Hübenthal & Knobel, sondern Hübenthal & Löffke. Besser geht’s doch gar nicht. Aber ich will Sie. Das müssen Sie mir glauben, Herr Knobel!«
»Ich kann Ihnen nicht glauben.« Stephan schüttelte den Kopf.
»Sie sollten darüber nachdenken«, bat Dörthe mit mildem Gesichtsausdruck. »Hubert ist immer so hölzern. Ich weiß das. Er wird sich, da bin ich mir sicher, in aller Form bei Ihnen entschuldigen und sich etwas Schönes ausdenken, was als kleiner Ausgleich gelten darf. – Denken Sie daran: Er müsste seine Position eigentlich nicht ändern. Frodeleit hat alles gut eingefädelt. Hubert macht es wirklich aus freien Stücken. Aber ich bin mir sicher, dass er es richtig macht – auch im Sinne unseres Rechts. Die Frodeleits dieser Welt sind auf dem Irrweg. Achim und Verena werden uns keines Blickes mehr würdigen, das wissen wir. Aber wir werden diesen Herrn dazu bewegen können, auf seinen Vorsitz zu verzichten. Ein Richter, der selbst eine Straftat vortäuscht, ist erledigt. Und den Beweis, dass er es getan hat, können wir führen.«
»Es gibt also nicht nur eine Wahrheit der Akten, sondern auch eine Wahrheit der Mehrheit«, folgerte Stephan.
»Nun ja: Aus zwei zu eins gegen Sie sind es zwei zu eins gegen Frodeleit geworden«, stimmte Löffke zu. »Manchmal ist alles eine Frage der Zahl. Aber die Geschichte dahinter ist schlüssig oder finden Sie nicht? Und sie kann von zwei glaubwürdigen Juristen bezeugt werden. Es reicht doch schon die Drohung, dass ich Frodeleit anzeigen könnte …«
Schlüssig. Stephan lächelte. Die Geschichten, die schlüssig waren, beanspruchten die Wahrheit. So dachten Juristen. Büllesbach hatte das schon erkannt.
»Es sollte alles bleiben, wie es ist«, sagte Löffke. »Frodeleit verzichtet auf den Vorsitz, es gibt keine Strafanzeigen und die Kanzlei heißt weiterhin Hübenthal & Knobel. Nur eine Freundschaft zwischen Löffke und Frodeleit wird es nicht mehr geben. Denken Sie an meine Prognose! Sie wird eintreten. Ich wette drauf. – Schlagen Sie auf die Wette ein! So haben wir auch unser Spiel.«
»Für gewöhnlich käme jetzt eine Schlachtplatte auf den Tisch«, meinte Marie spitz.
»Im Leben nicht«, protestierte Dörthe. »Ich bin Vegetarierin.«
»Obwohl Sie in der Fleischerei Ihrer Eltern gearbeitet haben?«, staunte Marie.
»Gerade weil ich in der Fleischerei gearbeitet habe«, antwortete Dörthe. »Manchmal ist die Wahrheit eben eine
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